Wattelsgasse 9
Vom Duft der Rosen
Zum regesten Geschäftsleben in der Wattelsgasse gehörte zweifellos die Gärtnerei Gg. Josef Bürckel, bei den Kunden nur „S‘Gärtners“ genannt. Das Geschick, den besonderen Geschmack und die spürbare Liebe zu Pflanzen und Blumen gab die Familie über Generationen an ihre Kinder weiter.
Schon vor 1907 richteten Adam Bürckel (1857-1925) und seine Ehefrau Hermine Elisabetha Horn aus Rheinzabern (1852-1938) die erste Gärtnerei in Leimersheim in der Wattelsgasse ein. Der einzige Sohn Georg Josef Bürckel, genannt Josef, (1884-1956) steht bereits 1925 als Geschäftsinhaber im damaligen Adressbuch. Mit seiner Ehefrau Maria Antonia Kuntz aus Hayna (1887-1976) lebte die Familie mit neun Kindern in dem kleinen Fachwerkhäuschen inmitten ihrer Arbeit. Die Söhne und Töchter von Josef und Maria Bürckel wurden ebenfalls schon früh in die Kunst des Gärtnerns eingewiesen.
Die Berufswahl der Söhne verband sich selbstverständlich mit dem väterlichen Betrieb in der Wattelsgasse (1933 nach dem Gauleiter und damaligen Ehrenbürger mit Leimersheimer Wurzeln in Josef Bürckel-Straße benannt, jedoch nicht verwandt)
Alle drei Ehefrauen der Besitzer Adam, Josef und Raimund kamen von „auswärts“, allesamt ebenfalls mit einer Vorliebe für das Besondere.
So standen der emsige Vater und Sohn Raimund viele gemeinsame Jahre in ihrem kleinen Verkauflädchen, in den Gewächshäusern und zwischen den weitläufigen Beeten auf dem Anwesen. Der Beginn des Zweiten Weltkrieges unterbrach diese Gemeinsamkeit. Raimund kam nach Krieg und Gefangenschaft 1945/1946 mit gesundheitlichen Folgeschäden zurück. Nach dem Tod des Vaters Josef 1956 übernahmen er und seine Frau Else den väterlichen Betrieb. Ohne die fleißigen Ehefrauen der Bürckels wäre es nicht möglich gewesen, die Vielfalt des Sortiments zu erhalten und zu erweitern. Emsige Frauen halfen zusätzlich im Frühjahr beim Pikieren und bei den Vorbereitungen zu den Festtagen.
Gleich beim Eintritt in den Hof empfing die Kundschaft den Duft der Rosen. In wunderbaren Farben boten sie an Stämmchen und Büschen ihre Schönheit an – der ganze Stolz des Gärtnermeisters Josef, seine eigenen Züchtungen, seine Lieblingsblumen.
Hinter dem Wohnhaus befand sich auch ein Feld voller Rosenstöcke. Dem Käufer fiel die Wahl schwer. Eine bunte Auswahl an „Pensee“ (den Stiefmütterchen, den „Blumen des Gedenkens“) für den Friedhof zierten die Regale im Hof. Dezent geschmückte Kränze zum traurigen Anlass für Beerdigungen bestellten die Angehörigen gerne bei S'Bürckel Gärtners. Kästen voll mit Kohlrabisetzlingen und diversen Salatsorten für den Bauerngarten und Gemüse zum Kochen rundeten das Angebot ab. „Hätt‘ noch welche brauchen können“, strahlte der Gärtnermeister mit dem Bärtchen, wenn die Blümchen ausverkauft waren. Und manch eine(r) fand schon in der Nachkriegszeit etwas „Ausg‘fallenes“ wie Alpenveilchen, Geranien, selbstgezogene Astern und Gladiolen – vor allem aber ein Meer von Rosen. Für einen Plausch mit den begeisterten Frauen waren die Herren der Pflanzen immer gerne bereit. Man hielt sich gerne bei S'Gärtners auf.
Die Bürckel-Kinder jeder Generation pflegten innige Freundschaften innerhalb der Wattelsgässler.
Die große Familie von Josef Bürckel veränderte sich mit der Zeit. Der jüngere Sohn Josef fand auswärts seine Liebe. Die Mädchen heirateten, gründeten selbst eine Familie. Und fragte einer nach den hübschen Töchtern, ob die sieben schon alle versprochen seien, kam es auch da prompt vom Vater Josef: „Hätt‘ noch welche brauchen können“ – mit der Pfeife im Mundwinkel und einem verschmitzten Lächeln.
Raimund blieb mit großer Unterstützung seiner Else der Familientradition und dem wunderbaren Blumenladen bis 1969 treu. Ihren Ruhestand verbrachten die Beiden in einem anderen Haus in der Wattelsgasse, wieder mit einem schönen Garten. Die Kundschaft bedauerte die Schließung sehr. „S’Gärtners“ – man hätte sie noch brauchen können.
Das Anwesen wurde an eine Familie vermietet. Einige Jahre lang stellte ein Künstler, der damalige Bewohner des Hauses, seine Werke aus Rohmaterial im Garten aus. Später wurden Häuschen und Felder verkauft.
Doch manchmal im Vorübergehen, da weht ein Lüftchen durch die Gasse mit einem Hauch – von Rosenduft.
Text und Recherche: Regina Flory
Quellen: „Adressbuch der Stadt Germersheim a. Rhein und Umgebung 1903“ Druck von Jul. Kranzbühler & Cie, g.m.b.H. Speyer- Germersheim
Standesamtakten Leimersheim, VGA Rülzheim
Fotografien: Familienalbum Brigitte Kamm-Tibad
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