Beruf(e):
Fischer
Geburtsdatum: 11.01.1958
Geburtsort: Leimersheim
Sterbedatum (Todestag): 27.06.2017
Sterbeort: Germersheim
Begräbnisort: Leimersheim
Franz Schwab – die schönsten Jahre des letzten Berufsfischers im Oberrhein von Rheinland-Pfalz
Die Geschichte von Franz Schwab begann bereits 1964. Aus der langjährigen Familientradition heraus erlernte Franz das Handwerk schon sehr früh durch seinen Vater Hermann, der selbst, wie auch schon dessen Vater, mit den lokalen Berufsfischern auf dem Rhein und im Altwasser gefischt hatte. Später, als junger Mann, stand Franz den Leimersheimer Fischern Karl Kuhn und Robert Lösch, seinen „Lehrherren“, tatkräftig zur Seite. Er hatte auch Egon Oberacker, einen Berufsfischer aus dem badischen Dettenheim, über Jahre auf dem Rhein begleitet. Bereits während seiner Berufstätigkeit bei Daimler Benz pachtete er sein erstes Gewässer am Karlskopf. Dort stellte er noch mit einem traditionellen Holz-Nachen seine Netze.
Durch seine Erfahrung und seine Begeisterung an diesem Metier reifte in ihm die Entscheidung, seine Leidenschaft zum Beruf zu machen.
Um die Fischerei hauptberuflich betreiben zu können und als Selbständiger eigenes Fischwasser pachten zu dürfen, riet ihm 2003 Lothar Kroll (Fischereireferent der SGD Süd) eine Ausbildung zum Fischwirt abzuschließen. An der Landesberufsschule für die Fischerei in Rendsburg wurde er in einem Sonderprogramm für Nordsee-Kutterfischer als einziger Binnenfischer aufgenommen. Nach Intensiv-Kursen – zugeschnitten für Fischer mit langjähriger Berufserfahrung – legte Franz im November 2005 vor der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein die Prüfung zum Fischwirt erfolgreich ab. Für die Elektrofischerei besaß er bereits seit längerem den für diese streng reglementierte Fischerei erforderlichen Sachkunde- und Berechtigungsnachweis.
Ab 2003 war Franz schon eingebunden in einem Jungfisch-Monitoring im nördlichen Oberrhein durch die SGD Süd (Struktur- und Genehmigungs-Direktion, Neustadt/Weinstraße, ehem. Bezirksregierung), das bis 2007 dauerte. Das Jungfischvorkommen nach Art und Menge wurde von ihm protokolliert und mit gleichen Erhebungen im hessischen und badischen Teil des Oberrheins zur Veröffentlichung bereitgestellt.
Gleich nach Erhalt seines Prüfungszeugnisses investierte er in seine verbesserte Ausrüstung: Ein 8 m langes Aluminiumboot, mehrere Außenbordmotoren, Bootstrailer, dazu hunderte Meter Netze in verschiedenen Maschengrößen, Aalreusen und vieles mehr. Nun konnte er die für seine Fischerei notwendigen staatlichen Gewässer pachten. Sein Einzugsgebiet waren verschiedene Abschnitte auf der 35 km langen Rheinstrecke von der französischen Grenze bis nach Ludwigshafen sowie zahlreiche Altrheinarme.
Sein Haupt-Fischgewässer aber war der Otterstädter Altrhein. Fast täglich war er dort unterwegs, meist mit einem Helfer, der das Boot steuerte, während er die Netze stellte oder hob. Mit seinen Fangerträgen – Aale, Zander, Hecht, Karpfen, Barsche, Schleien – belieferte er Gaststätten in Neupotz und Leimersheim, und auch im Badischen waren seine Fische bei Großabnehmern sehr gefragt. Für die zahlreichen, unbeliebteren Brachsen fand er spezielle Liebhaber.
Von 2009 bis 2017 erfasste Franz bei einem Fischmonitoring-Programm der Landesregierung Rheinland-Pfalz im Rahmen der EU Wasser-Rahmen-Richtlinie wieder die Fischbestände nach Art, Größe und Anzahl. Dazu war er im Frühjahr, Sommer und Herbst in bestimmten Kalenderwochen mit einem Biologen auf seinem Boot unterwegs im Otterstädter Altrhein, im Goldgrund bei Karlsruhe und später bei Worms. Die Bedingungen, am gleichen Ort, zur gleichen Zeit dieselben Netze und Reusen auszulegen, das Elektrofischen einzusetzen, wurden gewissenhaft eingehalten. Wie Lothar Kroll, der Projektleiter im LfU (Landesamt für Umwelt, Mainz), bestätigt, war das Arbeitsverhältnis von Wertschätzung und gegenseitigem Vertrauen geprägt.
Presse und Fernsehen zeigten regelmäßig großes Interesse an Franz als dem einzigen Vertreter seiner Zunft im rheinland-pfälzischen Oberrhein. Gerne begleiteten sie seine frühen Fischzüge morgens im separaten Beiboot. Noch heute finden sich zahlreiche Artikel über ihn und seine Arbeit z.B. in der Rheinpfalz, der Rhein-Neckar-Zeitung, der FAZ und dem Schwarzwälder Boten. Insbesondere der Südwestdeutsche Rundfunk drehte einige Dokumentationen mit ihm, über ihn und die Binnenfischerei auf dem Rhein. Dabei hatten die Medienleute auch Vergnügen daran, an so ungewöhnlichen Drehorten wie auf den Altrheinarmen zu arbeiten. Für Franz war das allerdings immer mit höherem Aufwand verbunden.
Im Spätherbst 2016 erreichte ihn ein außergewöhnlicher Ruf aus Darmstadt. Der 5,7 ha große Fischteich und Naturbadesee „Großer Woog“ am Rande der Innenstadt sollte entschlammt und komplett abgefischt werden. Da in Hessen kein Berufsfischer zu finden war, erleichterte es die Anglergemeinschaft Großer Woog sehr, dass Franz mit seinem Sohn Robert und einem Helfer das Abfischen übernehmen konnte. Der Auftrag war herausfordernd. So war zu Anfang nicht klar, mit welcher Menge an Fischen zu rechnen ist, noch, ob elektrisch gefischt werden kann oder mit Netz oder Reuse. Zudem wurde der Einsatz von großem öffentlichem Interesse begleitet. Franz und sein kleines Team waren mehrere Tage damit beschäftigt, Zander, Barsche, Rotaugen und Karpfen – sogar ein 1,40 m langer Wels war dabei – mit 900 Metern Stellnetzen abzufischen. Aufmerksam beobachtet wurde dies von zahlreichen interessierten Darmstädtern am Ufer und den Medien. Abfischungen in kleineren Dimensionen in Gewässern von Angelsportvereinen und auch Privatteichen gehörten zwar schon immer zu seinem Programm, jedoch war der Große Woog etwas Besonderes.
Wenn das LfU bestimmte Fischarten mit genauem Alter für das landesweite Schadstoff-Monitoring benötigte, erledigte Franz diese Aufträge mit Überzeugung: hatten doch seine Fänge im Otterstädter Altrhein belegen können, dass die dort lebenden Fische (einschließlich Aale) erheblich weniger Schadstoffe als anderswo aufwiesen und lebensmittelrechtlich unbedenklich waren.
Entspannend gestalteten sich hingegen die sommerlichen Sonntagsfahrten mit Naturliebhabern an Bord seines großen Alu-Nachens, die ein regionaler Touristik-Anbieter in sein Programm aufnahm. Dabei hatte Franz interessante und lustige Geschichten zu erzählen und sicher auch so manches Seemannsgarn gesponnen. Diese Begabung brachte ihm auch eine Filmszene ein, die an die für Fischer schwierige Schiffspassage an der Loreley erinnern sollte.
Franz Schwab durfte seinen Traum vom großen Fischen für 12 Jahre verwirklichen.
Rheinland-Pfalz verlor am 27. Juni 2017 seinen letzten Berufsfischer am Oberrhein.
Text und Recherche: Marianne Schwab (2021)
Koordination: Regina Flory
Fotografien: Fotoalbum Marianne Schwab
Abschiedsbrief von deiner Schwester
Mein geliebter Bruder!
Von uns vier Geschwistern hatten wir beide das innigste Verhältnis, wenn auch erst in späterem Erwachsenenalter. Schon als kleiner Junge warst du geprägt von einem unglaublich starken Freiheitsdrang. Draußen unterwegs zu sein, in der Natur, Feld, Bach, Kiesgruben, Wald und Altrheinarme – das war dein Milieu.
Nach der Schule setzte sich Mutter mit dir an den Küchentisch, um deine Hausaufgaben zu beaufsichtigen. Von der Feldarbeit, der Versorgung der Tiere und dem Kochen des Mittagessens erschöpft, schlief sie danach meist im Sitzen ein. Darauf hast du natürlich immer spekuliert. Beide Eingangstüren hatte sie in weiser Voraussicht abgeschlossen, die Schlüssel in ihrer Schürzentasche sicher verwahrt. In Gottes Namen musstest du halt deinen Fluchtweg durchs kleine Fenster zum Hof nehmen – und das nicht nur einmal. Abends um halb sechs, wenn Vater von der Arbeit kam, mussten wir Kinder alle anwesend sein. Wer fast immer fehlte, warst du. Deshalb schickte Mutter uns rechtzeitig los, dich zu suchen – oft erfolglos. Und wenn du schon mehrere Stunden überfällig warst, war Mutter auch fast so weit, dich mithilfe der Ortsfeuerwehr suchen zu lassen. Die Eltern haben dir täglich den Hintern versohlt, wobei du frech „tut gar nicht weh, tut gar nicht weh“ riefst, was sie natürlich noch wütender machte.
Gegen Ende deiner Schulzeit, 15 Jahre alt, hast du am Familientisch verkündet, dass du in der Bäckerei Schwab eine Lehre zum Bäcker und Konditor anfängst. Alles hätten wir erwartet, aber nicht das! Die Ausbildung hast du erfolgreich abgeschlossen und Otmar Schwab, dein Lehrherr, war wohl auch zufrieden mit dir. Jahrzehnte später sagte Otmar einmal zu Mutter: „Amande, dein Sohn Franz ist ein so feiner Mensch!“
1973 bekamen wir unerwartet noch eine kleine Schwester. Leider ist jedoch unser Vater drei Jahre später verstorben. Für Mutter war diese Situation, nun alleine mit drei Halbwüchsigen und einem Kleinkind dazustehen, nicht einfach. Als du mit 23 Jahren heiratetest und auch bald dein Sohn geboren wurde, verspürte ich Erleichterung. Nun bist du erwachsen geworden und trägst jetzt Verantwortung. Mit deiner kleinen Familie wohntest du jetzt in Wörth und hattest bei Daimler-Benz angefangen zu arbeiten. Trotzdem hat es dich mehrmals in der Woche in deinen Heimatort zurückgezogen.
Schon als kleiner Bub hatte Vater dich zum Fischen mitgenommen, weil er bei dir die Begeisterung dafür spürte. Inzwischen warst du, wenn es deine Zeit erlaubte, über mehrere Jahre mit den Berufsfischern Karl Kuhn aus Leimersheim und Egon Oberacker aus dem Badischen zum Fischen unterwegs. Da warst du in deinem Element. Als Anfang der neunziger Jahre deine Ehe scheiterte, hat Mutter deinen Sohn zu sich genommen. Wir, ihre eigenen Kinder waren zu diesem Zeitpunkt alle aus dem Haus. Im Jahr 2000 bist du mit einer neuen Partnerin wieder ganz nach Leimersheim zurückgekehrt.
Immer wenn Ostern nahte, war der Karfreitag DEIN TAG! Du hast zum Fischessen eingeladen: Familie, Verwandtschaft, Freunde, Kollegen. Alle waren willkommen. Frisch gebackener Fisch zu Mutters Kartoffelsalat, saurer Fisch und geräucherter Aal. Jeder freute sich drauf. Wein, Bier und Schnaps flossen dazu in nicht gerade geringen Mengen – Fisch muss ja schwimmen. Mutters Bedenken dazu, jährlich aufs Neue vorgetragen: „Mir ist nicht wohl bei der Sache, Karfreitag ist doch ein Tag zum Innehalten“.
Nun wieder seit einigen Jahren in Leimersheim sesshaft und zu Daimler nach Germersheim gewechselt, reifte in dir der Entschluss, dein Hobby zum Beruf zu machen. Um jedoch die dazu nötigen Gewässer pachten zu dürfen, musstest du die Ausbildung zum Fischwirt absolvieren. Neben deiner Arbeit hast du nun wochenweise in Rendsburg die Schulbank gedrückt. In der Praxis konnte dir keiner etwas vormachen, die Theorie war aber auch wertvoll für dich. Nach sehr kurzer Zeit hattest du erfolgreich die Prüfungen abgeschlossen. Dem Ausstieg aus dem bisherigen Berufsleben stand jetzt nichts mehr im Wege. Eine neue Existenz begann. Dabei waren die regelmäßigen Fisch-Monitoring-Aufträge des Landes Rheinland-Pfalz ein solides finanzielles Standbein. Du warst nun frei, konntest deine Fischfangeinsätze selbst bestimmen und organisieren. Das war jetzt dein Leben, von dem du immer geträumt hattest.
Nicht problemlos war allerdings deine private Situation. Mutter, mittlerweile Ende 70, war schon ziemlich hilfsbedürftig: Dein Wiedereinzug zu ihr ins Elternhaus war deshalb ein Segen für uns alle. Morgens um sieben kamst du mit Eiern und frischen Weck in die Küche, wo ihr in Ruhe gefrühstückt, den Speiseplan und deinen Tagesplan besprochen habt. So wunderbar kochen nach Mutters alten Rezepten konntest du schon lange, allerdings musste ich nach der Arbeit, wenn ich Mutters weitere Versorgung dann übernahm, immer erst mal das Küchenchaos beseitigen.
Deine große Liebe, da bin ich mir sicher, hast du in dieser Zeit gefunden. Am 30. Geburtstag deines Sohnes durften wir sie alle kennenlernen und sind bis heute einander sehr zugetan. Der Schlüssel in eurer Beziehung: sie hat dir deine persönliche Freiheit gelassen. Als sich Mutters Gesundheitszustand mit fast 81 Jahren verschlechterte, mussten wir sie schweren Herzens in fremde Hände geben. Ich sehe dich noch heute vor mir in den letzten Tagen daheim, als du, sichtbar betroffen, morgens in ihre Küche kamst. Wider Erwarten fühlte sich Mutter im Germersheimer Altenheim sehr wohl. Sicherlich auch, weil ich sie dort abends nach der Arbeit versorgte, wie gewohnt vorher zuhause. Auf dich und deine Freundin durfte sie sich immer sonntags freuen.
Am 27. Juni 2017, ein sehr heißer Sommertag, hattest du dein Boot schon vorbereitet. Außenbordmotor, Netze, Kübel, die Ausrüstung zum Elektrofischen für den Einsatz am frühen Morgen zusammen mit einem Biologen. Gegen Abend hast du dich zunehmend unwohler gefühlt. Der Sohn deiner Freundin fuhr dich ins Krankenhaus. Noch während der Aufnahme hörte dein Herz auf zu schlagen und alle Reanimationsversuche waren vergeblich. Du warst tot! Franz, unfassbar für uns alle, überraschend für die Ärzte. 59jährig, groß und athletisch, vital und braungebrannt, lagst du vor ihnen und sie konnten dir nicht mehr helfen: schwerster Herzinfarkt. Dein Sohn und deine Liebste waren am Boden zerstört, ich verständigte wie versteinert unsere Familienangehörigen.
Was nun folgte, hätte dir sehr gefallen. Die Beerdigung fühlte sich an wie ein Staatsbegräbnis. Leimersheim war erschüttert von deinem plötzlichen, unerwarteten Tod. Eine Cousine und ein langjähriger Fischerkollege hielten dir ehrenvolle Ansprachen. Eine Freundin deiner Lebenspartnerin sang “Näher mein Gott zu dir“ in Deutsch, Indonesisch und Englisch. Hunderte Menschen nahmen betroffen und weinend Abschied von dir. Deine Beliebtheit als Mensch aus dem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis zu erfahren war unglaublich und ein großer Trost. Deine Freundlichkeit, deine Geselligkeit und Großzügigkeit sowie Hilfsbereitschaft schwächeren Menschen gegenüber waren prägend für dich. Das haben dir viele, viele Menschen beim letzten Abschied gedankt.
Dein Freund Viktor mit Geschwistern und Freunden bestand darauf, das anschließende Beisammensein im Bürgerhaus ausrichten zu dürfen. 40 Tage nach deinem Tode haben sie mit uns dein Grab besucht, weil nach orthodoxem Glauben dann deine Seele die Erde verlässt. Einige deiner besten Freunde haben mich besucht und mit mir geweint, weil sich dich furchtbar vermissen.
Du fehlst mir unendlich, aber ich bin sehr stolz darauf, dass ich einen so besonderen Menschen wie dich als Bruder hatte.
Ein kleiner Trost: du hast bei Vater und Mutter – sie folgte dir zwei Jahre später – nun deine letzte Ruhe gefunden und bist nicht allein.
Deine Schwester Marianne
Text: Marianne Schwab (2021)
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Bewohner/in: Die Wattelsgässler