Sieht man von den Kriegen ab, gibt es in der Geschichte Leimersheims – soweit schriftliche Quellen vorliegen – nur wenige Ereignisse, welche das Leben seiner Bewohner so erschüttert haben wie die Schmuggleraffäre im Jahre 1811. Das Unglück ereignete sich im November und betraf direkt zwölf Leimersheimer Familien, aber auch französische Zollgardisten, die hier ihren Dienst versahen.
Die Pfalz war damals französisches Hoheitsgebiet, der Rhein bildete die Staatsgrenze zum Großherzogtum Baden. Der französische Kaiser Napoleon I. hatte die deutschen Staaten, soweit sie sich ihm entgegenstellten, und die meisten europäischen Staaten besiegt. Sein Versuch, auch England zu bezwingen, war militärisch gescheitert. Nun versuchte er es auf wirtschaftlichem Wege, indem er es durch eine Zollgrenze, die Kontinentalsperre, vom übrigen Europa isolieren wollte. Dies betraf indirekt auch die Grenze am Rhein. Auch sie wurde von französischen Zollgardisten streng bewacht.
Dennoch ließ sich der Schmuggel nicht verhindern. Die Bevölkerung war arm, das Preisniveau vieler Waren links und rechts des Rheins sehr unterschiedlich. Hinzu kamen Ernteverluste durch Hochwasser und schlechte Erwerbsmöglichkeiten. Andererseits schien das Risiko für Ortskundige, beim illegalen Warenaustausch erwischt zu werden, recht gering. Denn sie waren mit den natürlichen Bedingungen am damals noch "wilden Rhein" gut vertraut, kannten Schleichpfade und Wasserwege, die An- und Ablegemöglichkeiten, die sich mit dem jeweiligen Wasserstand veränderten. Gestrüpp und Schilf des Auwaldes boten darüber hinaus beste Möglichkeiten, sich zu verstecken. Auch gab es vermutlich keine moralischen Bedenken. Weshalb sollte man sich einem Staat verpflichtet fühlen, der in der Vergangenheit viel Unheil gebracht hatte, dessen Repräsentanten eine fremde Sprache verwendeten und dessen Regiment man als Fremdherrschaft empfand?
Das Schmugglerkreuz
So entwickelte sich auch in Leimersheim ein regelrechtes Gewerbe und es wurden illegal verbotene Waren über die Rheingrenze befördert. Ein Beleg dafür ist das heute noch erhaltene "Schmugglerkreuz" auf dem Friedhof in Leimersheim. Dieses Kreuz wurde ursprünglich für den früheren Friedhof an der heutigen Mühlstraße gestiftet, der damals neu angelegt werden musste. Dafür brauchte man Geldgeber, heute heißen sie Sponsoren. Auf dem Sockel dieses Kreuzes finden sich dreizehn Namen von Leimersheimer Bürgern, die, vermutlich im Jahre 1811, das Kreuz gestiftet haben:
AUS LIEB UND ANDACHT UNSERS HERRN JESU CHRISTI HABEN DIESES KREUTZ AUF RICHTEN LASSEN - P. LESCH - J. WESCHLER - J.P. KUHN - J. SCHART - J.P. MULLER - PH.J. LESCH - J. ZIMER – P. SCHAF – M. HEIT – J. HEIT – A. LESCH - G.A. SCHAF - PH.A. GEIGER .
Die Situation in Leimersheim um 1811
Der Ort zählte damals etwa 1000 Einwohner. Am Rhein gab es eine Fähre, bei der eine Zollstation eingerichtet war. Einige Zollgardisten wohnten mit ihren Familien in Leimersheim. Hier kannte man sich und wusste wohl, womit die einzelnen Familien ihre Einkommen erzielten und ihren Lebensunterhalt bestritten. Auch gab es eine Reihe von Gastwirtschaften als alltägliche Begegnungsstätten. So darf wohl angenommen werden, das in Leimersheim über die Stifter des Friedhofskreuzes geredet wurde und auch den Zöllnern nicht verborgen blieb, womit der auf dem Kreuz genannte Personenkreis wesentliche Einnahmen erzielte und damit sogar Spenden machen konnte. Es musste vor allem dem Kommandeur der Zollbrigade, Claude-Pierre Bourgeois, der in Jockgrim wohnte, ein Dorn im Auge sein, dass offensichtlich geschäftsmäßig geschmuggelt wurde, ohne dass seine Beamten die Täter überführen konnten – bis zu dem Geschehen in der Nacht vom 14. zum 15. November 1811.
Text: Anton Kuhn
www.kulturkreis-leimersheim.de/schmugglerfest/geschichte
Quellen:
Weschler, André: Die Schmuggleraffäre zu Leimersheim, Typoskript.
Kuhn, Anton: Die Schmuggleraffäre zu Leimersheim 1811-1814, Hrg.: Gemeinde Leimersheim 2011
Marthaler Ernst, Leimersheim - Die Geschichte eines pfälzischen Dorfes am Rhein, Hrg.: Gemeinde Leimersheim 2002
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