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Schafgartendamm

Schafgartendamm

„Hannes, kumm jedzerd endlich aus dere Bach raus,“ rief Schorsch erbost seinem älteren Bruder zu, „immer drigschd Dich vorm Schaffe.“ „Ooch, ich will mich doch blous e bissel abkiehle, s’esch sou hääß unn ich benn ganz verschwitzt“, jammerte Hannes gespielt zurück. „Helf jedzerd mit, dann sinn mer mit dem Grass schneide schneller ferdisch. D’Mudder hot gsagt, mer sellen zum Meddachesse dehääm seij, s’gebt Quellmänner unn weiße Kees.“ Hannes gab widerwillig nach, versorgte Liesel und Bawett mit etwas Wasser und half seinem Bruder. Als der Wagen beladen war, machte sich das Brüderpaar auf den Heimweg. Hannes gnodderte noch immer herum, er hätte sich lieber noch im Bach vergnügt, Enten gescheucht und nach Bachmuscheln gesucht.
Es war schon ein einzigartiges Bild, wenn die Buwe mit ihrem auffallenden Gespann auf dem Kripfedeich unterwegs waren. Der Vater von Hannes und Schorsch hatte extra ein Kummed für die Schafe Liesel und Bawett gefertigt, damit sie das Wäschle ziehen konnten.
 
Schafgarten
1566 wurde im Schloss zu Leimersheim vom Kurfürsten der Pfalz Friedrich III. eine Bestandsaufnahme angeordnet. Der Stadtschreiber und öffentliche Notar der Stadt Germersheim, Joh. Thomas Brock, hatte diesen Auftrag ausgeführt und ein detailliertes Verzeichnis angelegt.
Verzeichnis Nr. 15 – Im Viehhaus: Ein schlechter Bettladen mit Bett, ein Bett für den Meister und seine Frau, ein Bett für den Schäfer, … “
Zum Schloß gehörte noch ein Krautgarten, ein Schafgarten , ein Hofgut…“
… „Ein Haus vor dem Schloß, darin der Meister mit Frau und Gesinde wohnt, zuletzt eine Scheuer, die der Hördter Schäfer für die Herde braucht.“

Das Schloss war eine Wasserburg mit starken Mauern und einem tiefen Graben ringsum. Der Graben verlief in unmittelbarer Nähe des Kripfedeichs.
Viele Winter später kam der Schäfer Christian Majer mit seiner Herde von der Rauhen Alb in die Pfalz und machte im Dorf für einige Zeit Station. Bis Mitte der 1960er Jahre nutze auch er zwei Grasgärten am Schafgartendamm als Pferch für seine Schafe.
 
Damm
Der Otterbach war viele Jahrhunderte lang die nördliche Begrenzung des Dorfes. Bekannterweise wurde der Ort immer wieder von den Rheinhochwassern bedroht. Aber auch die Bäche traten oft über ihre Ufer und gefährdeten das Leben der Dorfbewohner sowie ihr Hab und Gut. Um diese Gefahren abzuwenden, bauten unsere Vorfahren vor rund 300 Jahren mehrere Felddeiche.
Der Langackerdamm beginnt auf der Landstraße nach Kuhardt in Höhe des Betonwerkes. Er verläuft nach Osten und endete ursprünglich am nördlichen Rand des Ortes. Heute endet er hinter dem Feuerwehrhaus. Dieser Damm hat also die Jahrhunderte überdauert und ist inzwischen ein beliebter Radweg. Der Kripfedeich bzw. s’Kripfedeichel schloss an den Langackerdamm an und verlief von d’Schließ weiter nach Osten bis zur Unteren Hauptstraße. Hier begann der Brühldamm, welcher in Höhe des Fischmals in den Neuen Deich überging. Kripfe ist der pfälzische Ausdruck für Futterkrippe.
 
Vom Kripfedeich zum Schafgartendamm
1931 nahm erstmals ein Pump- und Schöpfwerk seinen Betrieb auf, wodurch der Schutz der Niederungsgemeinde gegen Hochwasser bedeutend erhöht wurde. Hierauf beschloss der Gemeinderat, die Grundstücke entlang des Kripfedeiches als Bauland auszuweisen. Bisher gehörten die Grasgärten rechts und links des Damms überwiegend zu den Grundstücken der Unteren Hauptstraße und Schlossgasse. 1934 wurde der Damm begradigt und verlegt. Deshalb wurde ein Flächentausch mit mehreren Anliegern notwendig. Einige Monate später erfolgte noch eine Verbreiterung dieser neuen Straße, dem Schafgartendamm. Der Grundstückstausch erwies sich als äußerst langwierig, denn einige der bisherigen Grundstückseigentümer waren schwierige Vertragspartner.
 
Aus dem Kripfedeichel (oft nur an d’Kripfe) wurde dennoch der Schafgartendamm und beide Seiten der neuen Straße wurden in Bauplätze unterteilt. Mitte der 1930er Jahre entstanden außer der Milchzentrale (Nr. 8) auf der Bachseite noch vier Häuser (Nr. 7, 9, 17 und 19) auf der Dorfseite der Straße, die noch vor dem 2. Weltkrieg bezogen wurden. 1953 begann mit den Häusern Nr. 22 und Nr. 10 der zweite Bauabschnitt. Innerhalb der nächsten sieben Jahre waren von Nr. 2 bis 22 alle bachseitigen Grundstücke bebaut. Bis diese Grundstücke an die Kanalisation angeschlossen wurden, sollte es jedoch noch viele Jahre dauern.
 
Mitte Januar 1955 bestand für die Gemeinde höchste Hochwassergefahr. Der Rhein trat über die Ufer und der Otterbach überflutete die Gärten entlang dem Schafgartendamm. Die wenigen Häuser, die bereits bewohnt waren, wurden vor größerem Schaden bewahrt, da sie ein höheres Niveau als die Gärten hatten. Fast alle Bewohner auf der Bachseite der Straße haben im Laufe der Jahre ihre Gärten bis zum Straßenniveau mit Erde aufgefüllt.
 
Im August 1967 erhielten die Hauseigentümer die Zahlungsbescheide der Gemeindeverwaltung über die Kanalisation der Straße. Ein weiteres Jahr später wurden Schafgartendamm und d’Schließ asphaltiert. Laut Bescheid der Gemeinde vom August 1968 wurden 50 % der Gesamtkosten anteilsmäßig auf die Anwohner umgelegt.
 
Millisch, Kouhle unn Schdrimpf
Die Milchzentrale (Nr. 8) war von Beginn an ein rege genutzter Anlaufpunkt und gewissermaßen Mittelpunkt der Straße. Ein Großteil der Dorfbewohner kaufte hier frische Milch (Millisch) zum täglichen Gebrauch, welche von einer Molkerei angeliefert wurde. Im Gegenzug nahmen die Transportfahrzeuge die Rohmilch der Bauern zur Weiterverarbeitung in die Molkerei mit.
 
Über die Dorfgrenze hinaus bekannt war der Strumpfladen von Lena Dannenmaier (Nr. 6). D’Schdrumpf Lena hatte eine große Auswahl von Strümpfen (Schdrimpf) und bot zugleich einen Strumpfreparaturdienst an. Im Nachbarhaus (Nr. 4) praktizierte der Zahnarzt Dr. Czeslaw „Janusch“ Andruszko.
Vorübergehend konnte der Kleinverbraucher Brennkohle (Kouhle) bei Familie Marthaler (Nr. 10) kaufen, welche der Kohlenhändler Marthaler aus Rheinzabern bereitstellte. Im Haus Nr. 12 begann Anton Mühlbauer mit dem Aufbau seines Geschäftes als Fuhrunternehmer. Heute führt Sohn Herbert das Geschäft für Bagger-, Tiefbau-, Straßenbau- und Abbrucharbeiten aller Art weiter. Etliche Jahre hatten die Dorfbewohner bei Familie Heid (Nr. 14) eine gute Auswahl von hochwertigen Schuhen. Alfred Heid stammte aus Gossersweiler und bezog die Ware aus seiner Heimatregion im Pfälzerwald, die heute noch als Schuhregion bekannt ist.
 
In den 1970er Jahren war in den Sommermonaten im Hof der Familie Schardt (Nr. 5) eine Annahmestelle für Gurken. Nicht nur Gurkenbauern, sondern auch viele Frauen brachten ihre nach Größe und Form sortierten Gurken zu Paula Schardt. Großhändler aus Landau und Hochstadt kauften das Gemüse in den großen Holzkisten auf. Das „Gurkengeld“ wurde in der Regel am darauffolgenden Sonntag bar an die Erzeuger ausbezahlt. Die meisten Frauen waren in jener Zeit nicht berufstätig und pflanzten als Selbstversorger ihr Gemüse im Garten und auf Feldern an. Durch den Erlös aus dem Gurkenanbau war es ihnen möglich, die Familienkasse aufzubessern.
 
An der Rückseite der Milchzentrale befand sich eine Gerätehalle. Hier war der große Mähdrescher von Fritz Ochsenreither (Schmed Fritz) aus der Schlossgasse untergebracht. Sobald die Getreideernte begann, waren Fritz und sein Mähdrescher im Dauereinsatz. Oft musste die Frucht bis tief in die Nacht eingebracht werden. Die Traktoranhänger (Rolle) mit den erhöhten Seitenwänden standen mit Weizen und anderem Getreide beladen in langer Reihe entlang dem Schafgartendamm, bevor sie dann zur Verladestation am Güterbahnhof Rheinzabern gebracht wurden. Im Herbst kam der Mähdrescher erneut zum Einsatz, diesmal wurde der Futtermais geerntet. Nach Abschluss aller Arbeiten kam die große Erntemaschine bis zum nächsten Sommer zurück in die Halle.
 
Verschteckles und Gummitwist
In den 1940ern war in der Verlängerung der Großen Gasse ein breiter Zugang zum Otterbach-Ufer, heute ist an dieser Stelle nur noch ein schmaler Weg. Bevor die Häuser standen, trieben sich besonders die Jungen (Buwe) gerne am Ufer des Otterbachs herum. Ein beliebtes Versteck der Buwe war der Holzturm am Bachufer in Verlängerung der Kleine Gasse. Hier hatte der Küfer Alfons Liebel aus der Kleine Gasse seine Fassdauben zum Trocknen gestapelt. Durch eine kleine Öffnung am Boden gelangten die Kinder in das Innere des Turms und nutzten damit den Stapel als willkommenes Versteck. Dass dabei der Turm kippen könnte, störte die Kindern weniger. Sie hatten immer ihren Spaß, sehr zum Leidwesen des Küfers.
 
Noch in den 1960er Jahren war kaum Autoverkehr und so spielten die Kinder oft auf der Straße. Fang- und Versteckspiele (verschteckles) ebenso wie Gummitwist und verschiedene Hüpfspiele waren üblich. Für etwas Abwechselung sorgte ein kleines rotes Kinderfahrrad, auf dem jedes Kind mal fahren durfte. Die Straße war zu dieser Zeit noch nicht asphaltiert und hatte unzählige Schlaglöcher. Deshalb waren Stürze und aufgeschlagene Knie keine Seltenheit. Im Sommer 1967 war die ganze Straße aufgrund der Verlegung der Kanalrohre eine einzige Grube. Sobald die Bauarbeiter ihr Tagwerk beendet hatten, tobten die Kinder auf den großen Sandbergen und in dem breiten Graben herum. Als die Arbeiten abgeschlossen waren, wurde der große Graben wieder gefüllt – zum großen Bedauern der Tobenden.
 
Es war emohl…
… enn lausisch kalde Winder. Sou kald, dass emm die Dropfe an de Naas feschdgfrore sinn. Sogar de Odderbach war zugfrore. Die Buwe unn Mädle hänn trotz dere Keld immer in d’Schuul lääfe misse. Awwer dann hänn se e paar Dach lang ehr Frääd katt. Die vunn de Gardeschdroos und de Friedhofschdroos hänn de Schuulweg äfach mol abgekirzt. Zwische de Heiser durch, es hot noch kää Gardemeierle gewwe, iwwer die zugfrorene Bach, de kirzeschde Weg in d’Schuul unn widder zurick. Schnee war nadierlich ach genung geläsche und etliche Schneebälle sinn durch d‘Luft gfloche. Es war wirklich enn lausisch kalde Winder 1962/63. D’Leit sachen sogar, es wär de schdrengschde Winder im letschde Jorhunnert gewässt.


Noch mehr Interesse...
...welche Verbindung haben Wally, Lies und Katsche? Was bedeutet der Begriff "repassieren"? Wie groß war die Herde des Schäfers Christian Majer?
Die Anworten und weitere Geschichten entlang des Schafgartendamms sind hier zu finden:
Milchzentrale
Strumpf Lena
Schäfer Christian Majer
Otterbach

 
Text und Recherche: Heidi Faßbender (2022)
 
Quellen:

  • Otti Ziemer, Hans Leibel, Gerda Reiß
  • Landesarchiv Speyer Best. U 97
  • Carl Josef Hodapp, „Ortsgeschichte von Leimersheim", (1960)

 
Fotografien:

  • Familienalbum Ernst J. Marthaler
  • Fotoalben Edith Dörzapf und  Stefan Schardt
  • Fotosammlung Franz Pfadt
  • Landesarchiv Speyer

 
hfb/gla

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