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Kriegergedächtniskapelle

Friedhofstraße

Am Haupteingang des Leimersheimer Friedhofs stehend, fällt der Blick unmittelbar auf die Kapelle gegenüber. Sie wurde vor über siebzig Jahren als Denkmal der Toten beider Weltkriege und Mahnmal für die Lebenden erbaut. Vielerorts werden solche Denkmäler von den politischen Gemeinden finanziert, geplant und erbaut, aber in unserem Ort war dies nicht der Fall. Die Stiftung eines Ehepaares, der ehrenamtliche Einsatz vieler Dorfbewohner ergänzt durch weitere finanzielle Mittel der Gemeinde bilden das Fundament dieser Kriegergedächtniskapelle.
 
Das kinderlose Ehepaar Georg und Katharina Geisert war der Erbauer und Besitzer des Gasthauses „Zur Rose“ in der Rheinstraße und als Wirtsleute weit über das Dorf hinaus bekannt. Georg Geisert betrauerte mehrere Angehörige, die in beiden Weltkriegen gefallen waren. So war es sein ausdrücklicher Wunsch und ein Bedürfnis, für die Opfer des Krieges eine Gedächtniskapelle, nach Möglichkeit auf dem Leimersheimer Friedhof, bauen zu lassen. Nachdem er 1942 verstorben war, verfasste seine Witwe Katharina Geisert ein entsprechendes Testament. Diesem Wunsch, verbunden mit einer großzügigen Spende, entsprach der Gemeinderat im März 1951 und erklärte sich bereit, auf dem Gemeindefriedhof eine Kriegergedächtniskapelle zu errichten und alle weiteren erforderlichen Mittel bereitzustellen.
 
Mit Beginn der Bauausführung waren zahlreiche Freiwillige zur Stelle. Arbeiter führten Fundamentierungsarbeiten ohne Lohn durch. Landwirte übernahmen sämtliche Fuhrleistungen, ohne diese zu berechnen. Die ortansässigen Kieswerke stellten das Material kostenfrei zur Verfügung und auswärtige Betriebe gewährten Preisnachlässe auf Baumaterialen. Örtliche Handwerker mauerten den Kapellenneubau nach den Plänen des Architekten Philipp Kuhn - er war gleichzeitig Bauleiter und verzichtete ebenfalls auf sein Honorar.
Am 27. April 1952 nachmittags trafen sich vor der Pfarrkirche St. Gertrud zahlreiche Einheimische und Auswärtige, Honoratioren von Kirche und Politik, Chöre, die Musikkapelle aus Kuhardt sowie die gesamte Schüler- und Lehrerschaft. Angeführt von Kreuz- und Fahnenträgern, auch Kinder mit Kränzen und Blumen, zog die Prozession zum Friedhof. Dort begrüßte Bürgermeister Eugen Boltz alle Anwesenden zur Einweihung der mit Girlanden festlich geschmückten Gedächtniskapelle. Die verschiedenen Ansprachen und Gedichte wurden durch die musikalischen Beträge der Musikkapelle Kuhardt, dem Männerchor und dem Kirchenchor ergänzt. Während Bürgermeister Boltz im Namen der Gemeinde einen Kranz für die Gefallenen und Vermissten im Innenraum der Kapelle niederlegte, schmückte ein Mädchen das Grab der Stifterin Katharina Geisert mit Blumen.
Die bewegende und eindrucksvolle Einweihungsfeier der Kriegergedächtniskapelle endete mit dem Lied vom „Guten Kameraden“.
 
Die VdK-Ortsgruppe Leimersheim * übernahm von Beginn an die Verpflichtung, die Gedächtniskapelle so weit wie möglich zu unterhalten. Auf Initiative des damaligen Vorsitzenden Max Josef Keller wurden die Mitglieder um Spenden für eine Gedenkglocke gebeten. Der Auftrag ging an die Karlsruher Glockengießerei. Die Montage der Glocke erfolgte im April 1955. Im selben Monat wurde die Glocke mit der Inschrift „Gewidmet den Gefallenen der Gemeinde Leimersheim von ihren Hinterbliebenen“ von Pfarrer Nagel im Rahmen einer kleinen Zeremonie geweiht. Bis vor einigen Jahren läutete die Glocke bei fast allen Beisetzungen.
 
Es waren überwiegend die Kriegerwitwen, die über Jahrzehnte hinweg für Reinigung, Pflege und Ausschmückung der Kapelle verantwortlich waren. Diese ehrenamtlichen Arbeiten waren für sie selbstverständlich und aus heutiger Sicht eine wichtige Trauerbewältigung. Alle anfallenden Kosten für Kerzen oder Dekorationen zahlten sie aus eigener Tasche. Blumen wurden im eigenen Garten aufgezogen und auf dem Altar arrangiert. Andere Frauen aus dem Dorf unterstützten sie gelegentlich mit Spenden in Form von Blumen oder einem kleinen Geldbetrag.
 
Im Laufe der Jahre musste die Weihestätte immer wieder mal renoviert werden. Diese Arbeiten, z. B. den Putz auszubessern oder die Wände zu streichen, wurden in der Regel von den Männern des VdK ehrenamtlich durchgeführt. Die Restaurierung der Gedenktafeln im Innenraum der Kapelle kann allerdings nur von einer Fachfirma verrichtet werden. Die beiden Wandtafeln sind aus Muschelkalk und weisen die Namen aller Gefallenen und Vermissten beider Weltkriege auf. Das bedeutet, 171 Namen mit mehr als 3.000 Buchstaben und Zahlen.
 
Ob allein in der Stille, betend oder im Austausch mit Gleichgesinnten, die Kriegergedächtniskapelle auf dem Leimersheimer Friedhof war der Ort, an dem die Verbliebenen um ihre gefallenen, vermissten oder verstorbenen Angehörigen trauern konnten. Auch heute noch ist sie ein Ort der Zuflucht und noch immer findet alljährlich am Volkstrauertag im November eine Gedenkfeier zu Ehren der Toten beider Weltkriege vor der Kapelle statt.
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*) Die Abkürzung „VdK“ steht für den Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands. Die Hauptaufgabe des VdK bestand in der Unterstützung und Hilfestellung von Kriegsgeschädigten, Witwen und Waisen bei Verwaltungsangelegenheiten.

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Text und Recherche: Heidi Faßbender (2024)
 
Quelle:
- Gemeindearchiv Leimersheim
- „Die Kriegergedächtnis-Kapelle“ von Carl Josef Hodapp in „Ortsgeschichte von Leimersheim“ (1960)
 
Fotografien:
- Fotosammlung Franz Pfadt
- Fotoalbum Heidi Faßbender

 
 
hfb/-

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