Als Singverein Männer-Chor gründete sich am 10. November 1858 der zweitälteste Verein in Leimersheim. Im kulturellen Leben der Gemeinde spielt und spielte der Männerchor stets eine tragende Rolle, sowohl bei weltlichen wie auch kirchlichen Anlässen.
Nach den Statuten von 1858 ist Zweck des Vereins: „1. Bildung und Veredlung des Gemütes durch Einübung und Aufführung von Gesangsstücken. 2. Entfernung profaner Gassenlieder. Zur Erreichung dieser Zwecke finden wöchentliche Gesangsübungen statt“.
In den Vereinsstatuten von 1926 steht unter §1: „Belebung und Pflege des Gefühles für das Schöne, Veredlung des Gemütes durch Einübung und Ausführung von Gesängen vaterländischen und geselligen Inhaltes.“
In der Satzung aus dem Jahr 2008 ist zu lesen. „2. Der Zweck des Vereins ist die Pflege des Liedgutes und des Chorgesanges.3. Durch Konzerte und Aufführung von Chorwerken und Liedern leistet der Verein in der Öffentlichkeit einen kulturellen Beitrag.“
Die Aufnahmebedingungen in den Anfängen des Männerchors „Jeder gesittete Mann kann nach zurückgelegtem 18. Lebensjahr Mitglied des Vereins werden.“ Über eine Aufnahme entscheidet der Ausschuss mit Stimmenmehrheit. Außerdem hat das neue Mitglied in einer Singprobe seine Eignung darzulegen und eine Eintrittsgebühr von 1 Gulden in die Vereinskasse zu leisten. Streng waren die Bräuche in den Anfangszeiten. So steht in § 16: „Jedes aktive Mitglied ist gebunden an den durch den Musikdirigenten festgesetzten Übungsstunden und die durch den Ausschuss festgesetzten Produktionen des Vereins zu bestimmter Zeit zu erscheinen. Für jedes Versäumen der Übungsstunden müssen 3 Kr und jedes Versäumen der Produktionen 12 Kr Strafe in die Vereinskasse bezahlt werden. Ein dreimal aufeinanderfolgendes unbegründetes Nichterscheinen hat den Ausschluss zur Folge.“ Heute wird mit Nachdruck um neue Mitglieder geworben. Ein Problem ist die Überalterung der Sänger in den meisten Männerchören.
Erster Präsident des Vereins war der Einnehmer Max Josef Alwens, erster Dirigent des jungen Vereins Lehrer Georg Cammisar. Bis in die 1970er Jahre dirigierten ausschließlich Lehrer den Männerchor. 24 Chorleiter übernahmen bisher die künstlerische Verantwortung. Den Verein führten 16 Vorsitzende erfolgreich. Arthur Keller stand mit Geschick und Umsicht dreißig Jahre dem Männerchor von 1973 bis 2003 vor. Derzeit leitet ein Dreier-Gremium den Verein.
Großen Wert legte man beim Männerchor seit der Gründung auf gesellige Veranstaltungen. Bereits im zweiten Jahr seines Bestehens wurde in der Generalversammlung beschlossen: „dass kommenden Sonntag den 14. August auf unserem Sangesplatz am Rhein eine Gesangsproduktion unter Mitwirkung des Gesangvereins Eggenstein und Rheinzabern abgehalten, und zu diesem Behufe an gesagte Vereine eine Einladung ergehen soll. Man gepflegte intensiv den Kontakt mit befreundeten Männerchören ob bei Wertungssingen, Vereinsfesten, Jubiläen, Konzerten. Aufwändig war in den Anfangsjahren die Anreise zu solchen Veranstaltungen. Morgens ging es zu Fuß zu den Bahnstationen Rülzheim oder Rheinzabern; abends standen Fuhrwerke bereit, um die müden Sänger wieder heimzubringen. Erinnern wir uns an die legendäre Autofahrt 1888 von Berta Benz. Es wurde Theater gespielt, die obligatorischen Tanzveranstaltungen, Wertungs- und Kerwesingen, Weinproben, Wanderungen, Ausflüge, Fahrradtouren unternommen. Mit all diesen Festen sind schöne, lustige und fröhliche Erinnerungen verbunden. Seinen ersten Vereinsball veranstaltete der Männerchor 1887 im Gasthaus zum Löwen. Im gleichen Jahr gab es am Fastnachtssonntag eine Gesangsproduktion mit komischen Wortbeiträgen im Gasthaus zum Pflug. Für die festlichen Bälle wurden schon bald Cotillonorden angeschafft, die zwischen den Geschlechtern wechselseitig verschenkt werden, um damit den oder die Verehrte zum Tanz zu bitten. Während beider Weltkriege kam die Vereinstätigkeit zum Erliegen. Nach beiden Weltkriegen gab recht bald wieder gemeinschaftsfördernde Feiern. Die Menschen sehnten sich in den Nachkriegsjahren besonders nach frohen Stunden voller Lebensfreude. Bis in die 1970er Jahre fand der „Gsangvereinsball“ traditionell im Winterhalbjahr statt. Die jungen Mädchen freuten sich sehr über eine Einladung zum Tanz, bei dem sich so manche Liebesbeziehung angebahnte. Dann wurde gemunkelt und gemutmaßt: „geh’n die zwä minanner?“
Das 50jährige Jubiläum wurde am 31. Mai 1908 ganz groß gefeiert. Das Festbankett fand in der Wirtschaft „zur Sonne“ statt, das Preissingen im „Adler“; zwei Konzerte in der „Rose“ und im „Löwen, zwei Bälle im „Lamm“ und „Adler“. Zehn Vereine mit 410 Sängern waren beim Wettsingen vertreten. Ein Festbuch (Festschrift) konnte für 20 Pfennig erworben werden; 1000 Fest-Ansichtspostkarten waren aufgelegt. Festjungfrauen betreuten die Gastvereine, die per Fuhrwerk an den Bahnstationen Rülzheim und Rheinzabern abgeholt wurden. Triumphbögen zierten die Ortseingänge. Ein großes Festbankett mit zahlreichen Ehrengästen fand statt. Am Abend erfreute ein Feuerwerk die Gäste.
Alle runden und halbrunden Jubiläen wurden gebührend gefeiert. Dabei engagierte man Musiker, Sänger und Unterhalter aus der näheren Umgebung. Der Bellemer Heiner unterhielt öfter mit humorigen Geschichten die Gesellschaft.
Mit einem Festbankett wurde das 100jährige Vereinsjubiläum im Juni 1958 gebührend gefeiert. Durch die festlich geschmückten Straßen bewegte sich ein Festzug mit Festwagen, 3 Musikkapellen, zahlreichen Ehrengästen und 21 Gesangvereinen von Ehrendamen begleitet. Eine Festschrift wurde erstellt und an alle auswärts wohnenden Leimersheimer verschickt. Der Verein empfing die Zelter-Plakette aus den Händen von Kultusminister Dr. Orth. Dem 150jährige Bestehen gedachte man ebenfalls in einem festlichen Rahmen.
Protokolle. Seit Bestehen bis 1975 wurden die Protokolle der Mitgliederversammlungen und des Ausschusses handschriftlich festgehalten. Eine interessante und aufschlussreiche Lektüre. Sie spiegelt den Zeitgeist auf vielfältige Weise wider, vor allem zu erkennen an den Aufnahmegebühren, Mitgliedsbeiträgen, Dirigentenhonoraren, Bußen für säumige Sänger. Schmunzeln lässt ein Eintrag vom 27. April 1889: „… daß dem Antrag, welche 5 ihrer Mitlieder des Vereins in einer Beschwerdeschrift an den Vorstand eingaben betr. die Aufführung von komischen Gesängen ihres Inhaltes und Dialektes bei Produktionen nicht mehr vorkommen soll, keine Folge zu geben und sie hiermit abzuweisen.“
Nach langen Überlegungen konnte 1875 ein Clavier gekauft werden für 160 Gulden. Davon wurden 110 Gulden in bar und 50 Gulden nach einem Jahr bezahlt. 10 Jahre später erstand man beim Klavierhändler Rebholz aus Landau erneut ein Klavier für 365 Mark. Der aufgenommene Kredit von 250 Mark wurde in acht Jahresraten mit 4 % Zins abbezahlt. Das Instrument musste in das jeweilige Vereinslokal transportiert werden. In einem Protokoll von Januar 1914 heißt es: „Bezüglich der Auslagen beim Klaviertransport wird bestimmt, daß derjenige Wirt, der das Klavier bekommt, an diejenigen Personen, die den Transport besorgen, pro Person 2 Glas Bier unentgeltlich abzugeben hat.“ 1929 beschließt die Generalversammlung „dass künftig für den Transport des Klaviers an die Beteiligten nicht mehr als 6 Liter Bier verabreicht werden dürfen“. Sängerkehlen wollten zu allen Zeiten gut geölt sein. Ein Rauchverbot während der Singstunde ist im Protokoll ebenfalls festgehalten.
Im Jahr 1859 wurde auch die erste Vereinsfahne angeschafft. Bei der Bonner Fahnenfabrik bestellte man 1891 für 284 Mark eine neue Fahne. Zum 70ten Stiftungsfest mit Fahnenweihe (1928) lieferte die Firma Thomas aus Speyer eine neue Fahne, der man die guterhaltene Stickerei der Vorgängerfahne aufnähte. Sie ist noch heute der Stolz des Männerchors 1858 Leimersheim.
In der Generalversammlung 1878 wurde der Ballontage als Wahlverfahren eingeführt. Beantragte ein Bewerber die Aufnahme in den Verein, wurde mit Hilfe von schwarzen und weißen Ballen (Kugeln) ausgewählt. Überwogen die weißen Kugeln war der Bewerber in den Verein aufgenommen, waren die schwarzen Kugeln in der Überzahl, war die Aufnahme abgelehnt. Das Ergebnis ist mit Namensnennung im Protokoll festgehalten. Die Ausschussmitglieder entschieden nach Ende des Zweiten Weltkrieges das Verfahren nicht mehr zu praktizieren.
Zu den Aufgaben des Vereinsdieners gehörte: Lichter anzünden und löschen, Hefte betreuen, Botengänge ausführen, säumige Zahler anmahnen u. a. Dafür erhielt er ein Jahresgehalt von 12 Gulden in monatlichen Raten.
BIs heute ist der Männerchor ein verlässlichler Bestandteil unseres kulturellen Lebens, seine Auftritte beleben die Feste. Die bisherige Besetzung und einige neue, junge Mitglieder schaffen mit ihren bekannten Liedern ein wenig Heimatgefühl, ihre neuen Interpretationen regen an zum Mitsingen: zur "Belebung und Pflege des Gefühles für das Schöne".
Einer der langjährigen Vorstände des Männerchors war Artur Keller. Der folgende Nachruf beschreibt dessen Begeisterung, das soziale Engagement und sein gestalterisches Können:
Nachruf Artur Keller aus Heimatbrief 6/2022 vom 10.02.2022:
Der Männerchor 1858 Leimersheim verliert mit seinem Ehrenvorsitzenden Artur Keller einen Freund: „Artur war der Männerchor!“ Ab 1973 bis 2003 war er 1. Vorsitzender – also 30 Jahre lang! Mit den Chorleitern Jöckle, Kern, Schaller und Friedmann hat er den Chor zu einem Träger des kulturellen Lebens gemacht, der bei Festen die Orts-, die Kirchen- und die Kulturgemeine unterstützt. Begeisternd setzte er sich für die Gründung des Kinderchors „Dorfschwalben“ ein. Konzerte, Liederabende und aufwendige Jubiläumsveranstaltungen wurden von ihm professionell organisiert. Dabei wies er stets auf die Mitwirkung seiner Frau Hannelore hin. Bei jeder Kerwe war der von ihm mitorganisierte, beliebte Weinstand im Einsatz. Artur Keller legt großen Wert auf gemeinsame Aktivitäten wie Winter- und Radwanderungen. Dadurch konnte der soziale Zusammenhalt des Vereinst gestärkt werden. Artur Keller setzte sich für Chorproben im „Seniorentreff“ ein. Dass sein Sohn Frank in der Vorstandschaft seine Nachfolge antreten konnte, hat ihn letztlich sehr gefreut. Alle, die ihn kannten, werden ihn in dankbarer Erinnerung behalten.
Text und Recherche: Trudel Schwab
Quellen: Protokollbücher des Männerchors / Heimatbrief Ausgabe 6/2022
Koordination: Regina Flory
Fotografien: Fotosammlung der Ortsgemeinde Leimersheim
Bildbearbeitung: Regina Flory
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Neugierig geworden? Einige MItglieder singen noch anderer Stelle:
Ernst G. Marthaler
Max Marthaler
1 | Helmut Gamber | 18 | Ernst Emling | 47 | Werner Keller |
3 | Max(imilian) Schwab | 26 | Josef (Sepp) Kuhn | 53 | Edgar Ochsenreither |
4 | Erich Liebel | 33 | Alfons (Jung) Schaaf | 55 | Adolf Schwab |
6 | Alfons Liebel | 35 | Theo Schindler | 56 | Karl Fischer |
8 | Erich Boltz | 37 | Karl Liebel | 57 | Eugen Bürckel |
11 | Armin Liebel | 39 | Franz Heintz | 58 | Ernst G. Marthaler |
12 | Karl Kuhn | 42 | Oskar Schardt | 60 | Max(imilian) Marthaler |
13 | Walter Wolf | 43 | Leibel Johann (Hans) | 64 | Gebhard Kuhn |
15 | Alfons Liebel (Küfer) | 44 | Franz Ochsenreither | 65 | Eugen (Prinz) Schardt |
46 | Leo Kuhn | 67 | Johann (Jean) Boltz |