Verzeichnis Namen und Leben

 

Spurensuche Geisert Heinrich

Beruf(e): Ziegeleiarbeiter
Geburtsdatum: 05.03.1915
Geburtsort: Leimersheim
Sterbedatum (Todestag): 14.09.1944
Sterbeort: Code bei Riga, Lettland
Begräbnisort: Saldus (Frauenburg), Lettland
Wohnort(e): Augsburg

                                                Gefallen im Osten
                            während des 2. Weltkriegs am 14. September 1944
 
                      Heinrich Geisert, geboren am 5. März 1915 in Leimersheim,
                           Feldwebel und Zugführer in einem Infanterieregiment
 
              persönlicher Bericht von seiner Nichte Christiana Kantz, geb. Geisert,
                                      Tochter von Fritz und Agnes Geisert
 
Heinrich war der 3. Sohn des Holzschuhmachers Gustav Geisert und seiner 1. Ehefrau Berta. Dieser befand sich zur Zeit seiner Geburt an der Front des 1. Weltkrieges und auch noch, als er zwei Jahre zählte und die Mutter erst 27-jährig 1917 krankheitsbedingt* starb.
Als junge Männer zogen er und sein Bruder Jean (Johann*1911) in den 30er Jahren auf der Suche nach Arbeit nach Augsburg. Sie fanden dort ihren Lebensunterhalt und blieben in der Stadt, nicht zuletzt auch der Liebe wegen.
Während meiner Kindheit besuchte uns mein Onkel Jean jeden Sommer in Leimersheim. Bei den Gesprächen mit meinem Vater fiel immer wieder der Name „de Heinrich“. Ton und Worte erschienen dem zuhörenden Kind, das ich damals war, mitfühlend, bedauernd und irgendwie rätselhaft und prägten sich ihm tief ein. Wer war Heinrich, und was war mit ihm geschehen?
Erst Jahrzehnte später sollte ich darauf eine Antwort finden. In den sorgsam aufbewahrten Unterlagen meines Augsburger Cousins stand in der Todesanzeige als Ort seines Todes lediglich der Name „Code“. Wo lag Code? Niemand wusste es!
So durchforstete ich das „Netz“.  Nach allerlei Hinweisen stieß ich auf die Seite des
Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge.
Ein freudiger Schreck erfasste mich, als ich nach dem Durchsuchen der Datenbank den Hinweis erhielt: „Es gibt einen Treffer“ und dann schwarz auf weiß lesen konnte: „Heinrich Geisert, Feldwebel im 6/Gr. Regiment 390, gefallen in Lettland, Hauptverbandsplatz Code, Soldatenfriedhof Code, Grab 21, umgebettet nach Deutscher Soldatenfriedhof Saldus, Grab 674“.
Heinrichs jüngere Brüder Alfons (*6.12.1920) und Helmut (*12.9.1922), die jüngsten Söhne von Gustav Geisert und seiner 2. Ehefrau Auguste, starben bereits zuvor 1942 und 1943 während der Kämpfe auf der Krim/Ukraine und bei Stalingrad/Russland.
Der kleine Weiler Code liegt nur wenige Kilometer vor Bauske, dem Ort von Heinrichs tödlicher Verletzung.
 
Ich befand mich im Jahr 2017. Der „Kalte Krieg“ war schon lange vorüber und doch erschien mir Lettland weit entfernt, weit ferner und unbekannter als Frankreich, Spanien oder ein anderes westliches Land. Aber jetzt gehörte Lettland zur europäischen Union, und man konnte ohne weiteres hinreisen.
Es bewegte mich sehr, dass so viele Jahre niemand wusste, wo Heinrich geblieben war. Der Wunsch, das Grab aufzusuchen, über die letzte Zeit seines Lebens mehr zu erfahren, wurde mir ein großes Bedürfnis.
So plante ich meine Reise nach Lettland und flog im September 2017 nach Riga. Von dort ging  es mit dem  Bus  zuerst  nach  Bauska  (ehemals Bauske), ca. 60 km südlich von Riga (einschließlich einem Abstecher nach Code von wenigen Kilometern) und als letzte Station nach Saldus, ca. 120 km westlich von Riga.
In den Septembertagen 1944 fanden um Bauske Kämpfe zwischen der deutschen Wehrmacht und der Roten Armee statt, bei denen Heinrich zu Tode kam. Die meisten Spuren sind verwischt, bzw. die Natur war mildtätig und hat Bäume und Grün wieder darüber wachsen lassen.
 
Die Landschaft um Bauske ist schön mit ihren weit geschwungenen Hügelketten und ihren dichten Laubwäldern. In den ersten Septembertagen spannte sich ein seidig blauer Himmel über das Hügelland“
„Am 14. September brach ein Trommelfeuer auf die Front herein“
(vgl. die Geschichte der 215. Infanterie-Division“ W. Schelm, Dr. Hans Mehrle)
 
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden viele kleine Friedhöfe in Lettland aufgelöst und auf dem großen deutschen Soldatenfriedhof in Saldus zusammengelegt, so auch die Toten von Code und mit ihnen Heinrich Geisert.
Saldus, das ehemalige Frauenburg, war das letzte Ziel meiner Reise. Bei meiner Ankunft an einem Samstag regnete es fast ununterbrochen, und so ging es auch am folgenden Tag weiter. Doch es störte mich seltsamerweise wenig. Es war alles still, kein Mensch zu sehen, nur das Feld mit den vielen Kreuzen und weiter nieselnder Regen. Um die nachdenkliche Atmosphäre zu vervollständigen, flog auch noch ein Rabe krächzend über mich hinweg. Durch das nasse Gras lief ich einige Reihen ab, viele Kreuze waren verwittert und unleserlich. Da wurde es mir doch etwas bange zumute. Doch dann fand ich die richtige Buchstabenreihe und auch das Grab.
Noch heute bewegen mich die Erlebnisse meiner Reise, und ich bin froh, auch noch nach Jahrzehnten, meinen Onkel Heinrich so fern seiner Heimat aufgesucht zu haben, ihm zu bedeuten, dass er nicht vergessen ist.
 
*Die tödliche Krankheit von Berta Geisert ist nicht bekannt, evtl. war sie geschwächt durch 
   mangelnde Versorgung in den Kriegstagen, dem vorangegangenen sehr harten, eisigen
    Winter 1916/17, oder es war kein Arzt erreichbar.
**Pfarrer Braun stammte aus Bad Bergzabern, überlebte den Krieg und führte später Besucher
   über den Soldatenfriedhof Niederbronn-les-Bains

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Text und Recherche: Christiana Kantz, geb. Geisert
Fotobearbeitung: Regina Flory
Quellen: Zitat aus „Die Geschichte der 215. Infanterie-Division“ W. Schelm, Dr. H. Mehrle
Fotografien: Familienalbum Christiana Kantz, geb. Geisert
Fotoband „Die Württembergisch-Badische 215. Infanterie-Division“, K. Zellner, H. Mehrle,        
Foto des Soldatenfriedhofs Saldus, siehe unter militaryheritagetourism.inf 
Koordination: Regina Flory

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