Verzeichnis Namen und Leben

 

Schaaf Gottfried

Beruf(e): Bauer, Lohnkutscher, Makler
Geburtsdatum: 08.11.1881
Geburtsort: Leimersheim
Sterbedatum (Todestag): 08.05.1970
Sterbeort: Leimersheim
Begräbnisort: Leimersheim

Heirat 1907 mit Karolina, geb. Marthaler *1881, †1920, sieben gemeinsame Kinder:
Otto 1904-1976,  Friedrich (Fritz) 1908-1944, Maria 1909-1995, Anna (Änne) 1910-2005, Richard 1912-1988, Emil 1914-2001, Paula (Paul) 1916-2007         
Heirat 1922 mit Emma, geb. Wünschel *1891, †1966, mit Sohn Hermann Wünschel 1920-2004, vier gemeinsame Kinder:
Karl 1922-2017, Elisabeth (Lis) 1923-2004, Hilda 1926-2017, Alfons (de Jung) 1926-2018


Ein Leben voller Begegnungen, ein Leben voller Abschiede
Aus dem Leben vom Gottfried im Oberdorf 27. Eine Enkeltochter schreibt:

Lieber Opa,

in deinem langen Leben hast du viele liebe Menschen kommen und gehen sehen. Als 7. Kind vom „Ackerer“ Michael und seiner Frau Franziska bist du zur Welt gekommen. Sieben deiner Geschwister starben, kaum eines davon älter als ein Jahr. Mit drei Schwestern und zwei Brüdern bist du groß geworden. Ein „harter Knorze“ hast du dich genannt. Mit 33 Jahren musstest du im 1. Weltkrieg kämpfen. Zuhause warteten deine Frau, die Kinder Otto, Fritz, Maria, Anna, Richard, Emil, Paula. Kaum erholt von deiner eigenen Kriegsverletzung, starb zwei Tage vor Weihnachten 1920 Karolina, deine Ehefrau. Ein plötzlicher, ein ganz schwerer Abschied – für dich und für die sieben Kleinen. Wie gut, dass du zwei Jahre später Emma geheiratet hast. Sie brachte Hermann mit in die Ehe. Sie sorgte für alle, übernahm die Erziehung für alle. Karl, Elisabeth, Hilda und Alfons kamen dazu. Dein ältester Sohn Otto verließ euch der Ausbildung wegen, bevor das letzte Kind, „de Jung“, geboren wurde.
Euer großes Bauernhaus hatten 1823 deine Urgroßeltern erbaut, Christine Hörner und Georg Adam Schaaf, einer der berüchtigten Schmuggler.
Dieses Anwesen war für eure Familie gerade ausreichend. So viele „Schääfchen“ satt zu bekommen, was für eine Aufgabe! Auch zum Eigenbedarf: Ackerbau und Viehhaltung. Die harte Arbeit in der Landwirtschaft, sie hat euer – sie hat unser aller Leben geprägt. Im Zuverdienst warst du nach dem Krieg als „Lohnkutscher“ tätig, deine Ausrüstung: der „Landauer“, deine Kutsche und zwei Pferde. In dieser kargen Zeit waren die Patienten in ihrer Notlage froh, bei Tag und Nacht sicher von dir ins Spital gebracht zu werden. Doch das Automobil hielt Einzug, das Taxi übernahm Ende der Zwanziger deine Fahrten.
Als Kommandant bei der Feuerwehr von 1925 bis 1934 und als Mitglied der „Chargierten“ warst du echt ein „großer, stattlicher Mann“ in deiner Uniform und ein ebenso stolzer Opa deiner ersten Enkel.

1939 wurden die fünf ältesten eurer Söhne von der Wehrmacht eingezogen. Abschied.
Du hattest sicher geahnt, welch eine schwere Zeit auf deine Kinder, auf dich und Emma zukam. Der grausame Krieg traf auch euch alle. 1944 folgte der härteste Abschied für einen Vater: Dein zweitältester Sohn Fritz fiel in Mazedonien, er hinterließ seine Frau mit drei kleinen Kindern. Und wieder folgte große Trauer im selben Jahr. Drei Tage nach Weihnachten starb im polnischen Kriegshospital Thorn der Ehemann deiner Tochter Maria, der Vater dreier Kinder. Euer Sohn Emil lag schwer verletzt im Lazarett. Deine Tochter Elisabeth, die junge Feuerwehrfrau, hast du zu den Einsätzen begleitet. Selbst Karl mit 18 und Alfons, „de Jung“ mit 17 Jahren, mussten noch Militärdienst leisten in den letzten Kriegsjahren. Welche Angst um die sieben Söhne an der Front! Als im Frühjahr 1945 französische Soldaten euer Bauernhaus vereinnahmten, wurdet ihr ein paar Häuser entfernt, in Emmas Elternhaus, einquartiert. Die Sorge um Lis und Hilda, eure zwei jungen Töchter, sie mussten auftischen für die Besatzer. In diesem Falle war es ein Glück, dass du ein energischer Mann warst! Du hast vor eurem eigenen Haus gewacht, um ihnen Schutz zu geben. Nach Krieg und Gefangenschaft: eure Söhne kehrten heim, mit ihren körperlichen, mit ihren seelischen Wunden.

Bis Mitte der 50er heirateten eure letzten Kinder und viele, viele kleine Schääfchen kamen dazu. Das hat dir gefallen! Onkel Alfons und Tante Gerda hatten bereits die Landwirtschaft und das Vieh übernommen, auch Hans und Lotte, die zwei Haflinger. An deiner Seite: Emma, sorgsam und still, so wie sie immer war. Das Maklergeschäft, seit den Nachkriegsjahren betrieben, entsprach genau deinen Fähigkeiten: Verhandeln, „makle“, mit Menschen umgehen.
Vielleicht floss ein bisschen Schmugglerblut in dir! Du warst kein Mann der großen Worte, doch ein Plausch mit den Lieferanten, ein Gläschen "Roten" und eine Zigarre dazu – das gehörte zum „G’schäft“.
Bevor im Frühjahr die Felder bestellt wurden, kauften Landwirte und viele Frauen aus Leimersheim bei dir Saatgut und Steckkartoffeln. Für einige, meist verwitwete Frauen war dies eine wichtige Investition, da der Ertrag von ihrem angebauten Gemüse gleichzeitig ihr Jahreseinkommen für die ganze Familie bedeutete. Das hast du besonders geschätzt! Wer sonst sollte wissen, wie schwer es sein kann, eine Familie zu ernähren! Im Sommer brachten die Großbauern und die Anbauerinnen ihre Feldfrüchte zu dir. Gurken und Zwiebeln wurden nach Größe und Qualität sortiert, und wir Kinder konnten uns dabei ein paar Pfennige verdienen. Die Großhändler aus Lustadt und Herxheim holten mit ihren Lastwagen die gefüllten Säcke für den Großmarkt ab. Am Sonntagmorgen saß man gerne etwas länger in „de gut‘ Stub‘ bei’s Gottfrieds“. Es wurde abgerechnet und ausbezahlt. Als unsere Oma, die Emma, 1966 starb, warst du 85 Jahre alt. Ein später Abschied. 
Den Tannenbaumverkauf zur Weihnachtszeit gabst du auf – doch dich und deinen Humor nicht!
Die drei Enkelkinder im Haus waren eine Freude für dich. Für manch einen von uns 36 Enkeln warst du auch ein bisschen Papa. Das war meine Lieblingszeit mit dir: Am späten Winternachmittag, wenn die Nadelzweige im Ofen knisterten und es duftete, erzähltest du unwirkliche Flunkergeschichten. Auf deinem wippenden Fuß saß ich und du lehrtest mich rechnen. Und heute weiß ich immer noch, dass „fuffze un äns, sächze esch“.
Trotz all den Schicksalsschlägen: ein Genießer bist du geblieben, ein Schmunzeln auf den Lippen, die Pfeife dazwischen, ein Schluck vom eigenen Wein dazu!
So war das Landleben im Oberdorf bei euch, mein lieber Opa!  Spannend – und jeden Tag was Neues. Deshalb möchte ich eine wahre, eine besondere Geschichte von dir erzählen.
 
Winternacht im Januar 1927.
Wie so oft wurde der Leimersheimer Kutschenfahrer Gottfried Schaaf mit seinem Landauer gerufen, dringend eine Patientin ins nächstgelegene Spital zu bringen. Die hiesige Hebamme ließ an diesem späten Abend die Botschaft schicken. Bei einer jungen Frau hatten die Wehen eingesetzt, eine schwierige Geburt stand bevor. Schnell musste sie ins Krankenhaus nach Karlsruhe gebracht werden.
Die Pferde wurden eingespannt, warme Decken in die Kutsche geworfen. Sie machten sich eilends auf. Wie immer begleitete die Hebamme ihre Patientin ins Spital. Durch die Dörfer Neupotz, Rheinzabern, Jockgrim, Wörth zur Brücke über den Rhein. Kaum in Knielingen angekommen, rief die Hebamme aufgeregt: „Halt! Halt! Gottfried halt! Hilf mir!“ „Brr, brr!“ Die Pferde hielten ein. Ein kleines Mädchen kam zur Welt. Gesund und ohne Komplikationen – mitten in Knielingen, am 25. Januar 1927 in der Kutsche von Gottfried Schaaf.
Mutter und Kind wurden notversorgt, die glückliche Besatzung mit dem Neugeborenen, der winzigen Maria, fuhr wieder zurück nach Hause, im Landauer nach Leimersheim. 
Gottfried Schaaf: Landwirt, Makler, Krankentransporteur und Geburtshelfer.


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Text und Recherche: Regina Flory (2021)
Quelle: Großfamilie Schaaf
Fotografien: Familienalbum Elisabeth Deubig


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Verwandtschaft

Vater von: Schaaf Alfons
Vater von: Schaaf Friedrich (Fritz)
Vater von: Marthaler Hilda
Vater von: Deubig Elisabeth (Lis)
Stiefsohn von: Wünschel Hermann
Großvater von: Schaaf Heinz
Großvater von: Schaaf Egon
Großvater von: Kassner Reinhard (Reini)

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