Beruf(e):
Postillion
Spitzname: Lepold Max
Geburtsdatum: 17.02.1896
Geburtsort: Leimersheim
Sterbedatum (Todestag): 09.11.1984
Sterbeort: Leimersheim
Vom Stallknecht zum Postillion
Es ist mitten in der Nacht und das Dorf schläft tief, als im Hof der Mühle Emmerling die ersten Laternen angezündet werden. Der junge „Lepold Max“ öffnet die Stalltür und geht mit seinem Bündel Heu zum Futtertrog. Die beiden Zugpferde begrüßen ihn mit einem freundlichen Wiehern und machen sich hungrig über ihr Futter her. Nun putzt der Achtzehnjährige die Tiere und führt sie anschließend auf den Hof. Die aufwendige Arbeit des Aufzäumens und Anspannens vor die Postkutsche wird von Max gemeinsam mit dem Stallknecht erledigt. Das Gespann ist nun reisefertig.
Mittlerweile ist es vier Uhr geworden und Max steigt auf den Kutschbock. Er bläst mit seinem Posthorn das Abfahrtsignal, löst die Bremse und die Pferde setzen die Kutsche in Bewegung. Der Weg führt über Neupotz zum Bahnhof im sechs Kilometer entfernten Rheinzabern. Max ist stolz, der Postillion von Leimersheim zu sein. Bedauerlicherweise können dies seine Eltern nicht mehr erleben. Sein Vater Leopold starb vor einem Jahr, die Mutter Maria bereits als Max noch nicht mal drei Jahre alt war.
Maximilian Marthaler war schon seit längerem als Stallknecht im Poststall beschäftigt, der sich in der Mühle Emmerling befand. Er erledigte alle anfallenden Arbeiten. Die Versorgung und der Umgang mit den Vierbeinern, aber auch reiten und das Fahren einer Kutsche waren für ihn Routine geworden. Zusätzlich übte er sich in der Kunst des Posthornblasens. Damit erfüllte der junge Mann alle wichtigen Voraussetzungen für die Tätigkeit eines Postillions. Fräulein Sabine Emmerling, die „Königliche Posthalterin“, unterstützte den Wunsch des jungen Mannes nach der neuen und verantwortungsvollen Aufgabe und leitete im September 1914 alle erforderlichen Schritte ein. Zunächst bescheinigte Bürgermeister Serr in einem Leumunds-Zeugnis, dass seitens der Gemeinde nichts Nachteiliges über den Bewerber bekannt sei. Das Königliche Amtsgericht Germersheim überprüfte das Strafregister und auch hier gab es, wie erwartet, eine positive Rückmeldung.
Am 20. Oktober 1914 belehrte der Beamte des Königlichen Postamtes Rheinzabern den Anwärter über seine Dienstpflichten und machte darauf aufmerksam, dass hierzu besonders die Wahrung des Post-, Telegraphen- und Telefongeheimnisses gehört. Abschließend wurde Max durch Handschlag an Eides statt mit den nachstehenden Worten verpflichtet: „Ich gelobe, meine dienstlichen Obliegenheiten getreu zu erfüllen.“
Der frischgebackene Postillion erhielt dann noch eine ausführliche Dienstanweisung in schriftlicher Form, die verpflichtend einzuhalten war. Je nach Verstoß war eine Kündigung oder gar eine gerichtliche Bestrafung möglich. Gleichzeitig mit der Dienstanweisung erhielt er seine Dienstkleidung, unter anderem Jacke, Reithose, Handschuhe und einen hohen Hut mit Federbusch. In der Winterzeit wurde ihm zusätzlich die geeignete Schutzkleidung zur Verfügung gestellt. Ein ganz besonders wichtiges Utensil war das Posthorn an weiß-blauer Schnur. Der Postillion musste mehrere Signale wie Abfahrts- und Ankunftssignal sowie insbesondere Notsignale beherrschen. Damit war es ihm möglich, bei Unfällen oder Gefahrensituationen auf sich aufmerksam zu machen, denn seine Postladung durfte er nicht im Stich lassen.
Noch ehe die Postkutsche den Bahnhof in Rheinzabern erreicht, verkündet das Posthorn laut und deutlich die nahende Ankunft. Postillion Max ist mit seinem Gespann am Zielort angekommen. Nachdem die Pferde gefüttert sind, nutzt er die Gelegenheit, etwas Schlaf nachzuholen und legt sich für kurze Zeit auf einen Strohballen. Ausgeruht übernimmt er beim Königlichen Postamt Rheinzabern alle für Leimersheim vorliegenden Postsendungen und verstaut diese ordnungsgemäß in der Kutsche. Außer für Postsendungen bietet die Kutsche noch Platz für sechs Personen. Gemäß der Dienstanweisung ist es streng untersagt, mehr Fahrgäste mitzunehmen als Plätze vorhanden sind. Die Reisenden haben dem Postillion vor Antritt der Fahrt einen entsprechenden Reiseschein vorzuzeigen und während der Fahrt mitzuführen. Sobald die anwesenden Fahrgäste eingestiegen sind, überprüft der Postillion das Geschirr der Pferde und der Kutsche. Ist alles in Ordnung, fährt das Gespann auf dem umgekehrten Weg zurück zum heimatlichen Poststall in der Mühle Emmerling. Die Postkutsche fährt an allen Werktagen dreimal sowie samstags zweimal von Leimersheim nach Rheinzabern und zurück.
Postillion Max führte seine Arbeit mit Selbstbewusstsein und voller Würde aus. Sicher hätte er seine Tätigkeit bis zum Ende der Postkutschen-Ära ausgeübt, wäre es nicht anders gekommen.
Am 1. Mai 1916 schied Maximilian Marthaler aus dem Poststalldienst aus. Grund hierfür war seine „Einziehung zum Heeresdienst“. Zum Abschluss erhielt er von seiner Dienstherrin ein gutes Zeugnis über sein dienstliches und außerdienstliches Verhalten sowie über seine Geschicklichkeit im Reiten, Fahren und Blasen des Posthorns. Damit hatte der Erste Weltkrieg das Leben des jungen „Lepold Max“ wie das vieler Anderer verändert.
Nach seiner Militärzeit nahm der ehemalige Postillion eine Arbeit beim „Rheinbau“ auf und übte diese Tätigkeit bis zu seiner Pensionierung aus. Er heiratete Anna Gieb und das junge Ehepaar erwarb das Haus Nr. 4 an den Hirtenhäusern. Tochter Elsa sowie die Söhne Julius und Hermann machten die Familie komplett. Max war eine auffällige Erscheinung, hochgewachsen und hager. Mit aufrechtem Gang und langen Schritten ging er durchs Dorf. Jahrzehnte lang war er mit Begeisterung aktiver Sänger im Gesangverein „Männerchor 1858 Leimersheim“, dem zweitältesten Verein des Dorfes. Als in den 1950er Jahren die Zukunft des Vereins auf dem Spiel stand, übernahm Max die Verantwortung und leitete die Geschicke des Männerchores von 1952 bis 1956. Als aktiver Sänger, Ehrenmitglied und Ehrenvorsitzender war er noch lange Zeit dem Chor verbunden. „Lepold Max“ war ein geselliger Mensch und mit seinen lebendigen Geschichten eine Bereicherung jeder Unterhaltung. Besonders gerne erzählte er immer wieder von seiner Zeit als Postillion.
Der ehemalige Postillion starb im hohen Alter von 88 Jahren.
Noch mehr Interesse...
Postillion Max und seine Militärzeit
Männerchor 1858 Leimersheim
Brücke an d' Schließ
Text und Recherche: Heidi Faßbender (2023)
Quelle:
- Landesarchiv Speyer Best. N 32 Nr. 3297, Nr. 5442 und Best. N 33 Nr. 1242
- Festschrift „110 Jahre Männerchor Leimersheim“, 1968
Fotos:
- Fotosammlung der Ortsgemeinde Leimersheim
- Fotosammlung Sittinger
- Stadtarchiv Speyer
- Familienalben Ute Ewert, Ernst J. Marthaler, Alfons Schaaf
hfb/gla