Beruf(e):
Kommunalbeamter, Dorfchronist
Geburtsdatum: 14.02.1929
Geburtsort: Leimersheim
Sterbedatum (Todestag): 15.07.2021
Sterbeort: Leimersheim
Begräbnisort: Leimersheim
Konfession: katholisch
Wohnort(e):
Leimersheim
Eine ganz besondere Säule der Gemeinde
„Ernst Marthaler?“ „Klar kenn‘ ich den, das ist doch der Schreiber von dem genialen Buch iwwer Lämersche!“ Das hört man immer wieder mit Bewunderung von Leimersheimern, die schon immer da sind, von den Leimersheimern, die schon lange da sind, von denen die neu da sind, auch von jenen, die sich gern ans Dorf erinnern. Für sie alle bleibt Ernst im Gedächtnis als Autor und Maler über seine „Geschichte eines Dorfes am Rhein“. Ebenso schätzten ihn viele Dorfbewohner als den geduldigen, jahrelangen Ansprechpartner im Gemeindehaus und später im Rathaus der Verbandsgemeinde.
Seine eigene Lebensgeschichte begann auf historischem Grund. Kindheit und Jugend verbrachte er in der Schlossgasse, an dem Ort, an dem bis 1718 ein Schloss stand. Im Hof der Familie Marthaler befand sich in diesen Zeiten ein Thingplatz, an dem die Weisen des Ortes über Recht und Unrecht entschieden. Ernst war einer der wenigen, der im Garten der Eltern das kühle Wasser aus dem alten Schlossbrunnen schöpfen konnte. Wie konnte es bei diesen Voraussetzungen anders sein, als dass sich Ernst mit Herzblut der Dorfgeschichte widmete.
Ernst Marthaler war einer der Großen von Leimersheim – nicht nur als schlaksig herausragender Schüler auf den Klassenbildern, vor allem war es sein Talent, mit viel Engagement die besondere Historie seines Heimatdorfes in Wort und Bild darzustellen. In seinem Lebenswerk, der Ortschronik von 2002, erzählt er von den Dorfbewohnern über ihre Traditionen, ihre Freuden, über ihr Leid.
Das Eingebundensein in diese zeitaufwendige Arbeit war für die ganze Familie eine Selbstverständlichkeit. Zur Eisernen Hochzeit 2018 bestätigte dies die Ehefrau Adelheid, seine „Adel“, gegenüber der Rheinpfalz: “Ich bin glücklich, mir hat es an nichts gefehlt“.
Mit der Erforschung der eigenen Familiengeschichte begann für Ernst die Laufbahn als Dorfchronist: Zeitungsartikel erschienen, in Festschriften gelungene Texte. Als Hauptinitiator des großen Marthaler-Treffens 1992 feierten fast 600 Gäste aus Europa und Amerika ihre große Familie.
1991 kam mit dem Eintritt ins Pensionsalter für Ernst die Zeit der Muse – zum Schreiben, zum Malen, zum Reisen. Die unzähligen Recherchen für sein Buch über die Ortsgeschichte endeten 2002, es wurde zum Highlight der 1225-Jahr-Feier; es lieferte Gesprächsstoff allerorten. 2012 gestaltete er mit eigenen Ölbildern eine Ausstellung und das Buch „Bilder von Gestern“ und erweckte so manch' vergessene Dorfschönheit zu neuem Leben. Fast endlos wären die Aufzählungen über die Werke des Schreibers, des Malers, des Fotografen Ernst Marthaler. Wie wertvoll ist es für die Leimersheimer „Dörfler“, das Nachschlagewerk von 2002 mit dieser Erzählkraft und den tausend Geschichten an ihre Kinder und Enkel weitergeben zu können.
Die Geschichte eines Dorfes am Rhein sollte auf Wunsch des Verfassers weitergeführt werden. Dieser Aufgabe nimmt sich seit 2021 eine Projektgruppe an. Die Mitglieder erforschen weiter die Geschichte und Geschichten aus Leimersheim, nehmen Texte aus der Chronik in digitaler Form auf – eine kleine Hommage an den bescheidenen Mann aus der Schlossgasse.
Ernst Marthaler dokumentierte unsere Zeitgeschichte über Jahrhunderte mit Respekt, mit großer Präzision und – mit einer ganz besonderen Liebe zu einem Dorf.
Chapeau!
Die Geschichte eines Dorfes am Rhein, 2002
Schlossgasse
Text, Recherche, Koordination: Regina Flory (2023)
Fotografien: Fotosammlung der Ortsgemeinde Leimersheim, Familienalbum Lothar Marthaler
Zum Abschied von Ernst Marthaler, am 21. Juli 2021, erwies stellvertretend für die Gemeinde Leimersheim Ortsbürgermeister Matthias Schardt dem geschätzten Dorfchronisten die letzte Ehre:
Wenn Ernst Marthaler die Tür zu seinem Haus öffnete und man in den Flur eintrat, dann stand man inmitten Leimersheimer Lebens: zwischen seinen gemalten Lebenserinnerungen an unser Dorf. Kerwe, Waschplatz, Kirchen, Schlossgasse, Feld und Flur, der Rhein; all das, was Lämersche ausmacht und was wir heute bisweilen vermissen. Und auf einem kleinen Schränkchen stand die Verdienstmedaille der Gemeinde, eine große bronzene Plakette mit unserem Ortswappen, die ihm verliehen wurde für seine großen Verdienste um unser Dorf und seine Geschichte. Und ich dachte bei jeder Begegnung, dass sie nirgends so gut hinpasst und so unbedingt hingehört wie hier in diesem Flur.
Liebe Familie Marthaler, liebe Trauergemeinde!
Ein großer Leimersheimer ist gegangen. Ernst Marthaler war ein wahres Geschichts- und Geschichtenbuch, ein Mann, der in seinen Erinnerungen und seinem Engagement ganz von dem erfüllt war, was er hier erlebte, mitgestaltete und gerne an seine Nachfahren weitergeben wollte.
Er erlebte z.B. einen Moment im Frühjahr 1945, als der damalige Bürgermeister ihn auf dem Brühl, wo er gerade das Feld bestellte, antraf und von der Stelle weg ins Gemeindehaus rief, um dort alleine die Amtsgeschäfte nach Kriegsende wieder aufzunehmen. Oder wenige Wochen später als französische Offiziere ihn baten, den Raum zu verlassen, weil sie mit dem damaligen Pfarrer Nikolaus Nagel den neuen Bürgermeister Leimersheims aussuchen und bestimmen wollten und er danach Eugen Boltz ins Amt rufen musste. Wer in solch historischen Momenten dabei war und seine Arbeit zu verrichten hatte, der hat ein tieferes und bewussteres Verhältnis zur Aufgabe erhalten, als dies bei heutigen Beamten und Verwaltungsangestellten der Fall sein mag. So zeigte Ernst in seinem beruflichen Wirken die beharrliche Geradlinigkeit, die hohe Fachkompetenz und das große Interesse an seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, das ihn lange Jahre zu einem Vorbild für viele Beschäftigte bei uns im Rathaus machte, wo er bis 1991 der geschäftsführende Beamte war. Und das, obwohl er ja ebenso beharrlich zusammen mit Bürgermeister Walter Kling gegen die Bildung jener Verbandsgemeinde gekämpft hatte und sich mit allem, was sein Verwaltungswissen und seine juristische Feder hergaben, dagegen wehrte, zu Rülzheim gehören zu müssen. Trotzdem, oder gerade deshalb, trug er wesentlich zum Aufbau der Verbandsgemeindeverwaltung Rülzheim bei. Er ist z.B. einer der Väter der Sozialstation und ihrer kommunalen Verwaltung, was über Jahrzehnte einmalig in der Pfalz war und heute einer der Erfolgsfaktoren dieser Einrichtung ist.
Nach seiner Pensionierung sagte Ernst Bürgermeister Hugo Dörrler zu, das Großprojekt Ortschronik in Angriff zu nehmen. Nicht wissend, was da alles auf ihn zukommen würde. Jahrelange Recherchen, ordnen und sortieren der Erkenntnisse, formulieren, Fotos auswählen, Beiträge von Vereinen und Institutionen anfordern – all das hat Zeit und Kraft gekostet und hat Ernst Marthaler ehrenamtlich getan, aus Liebe zur Sache. Und so konnte 2003, zur 1225-Jahrfeier, die Chronik herausgegeben werden. Als junger Mann war ich damals für die Organisation der Veranstaltung rund um die Herausgabe der Chronik verantwortlich. So durfte ich erstmals mit Ernst zusammenarbeiten. Als ich dann selbst Bürgermeister seiner Gemeinde war, hatten wir oft und – so darf ich es von mir aus sagen – gerne miteinander zu tun. ZB haben wir 2012 die Ausstellung seiner Ortsansichten organisiert und einen Ausstellungskatalog herausgebracht.
Liewer Ernschd! Vielen Dank für die vielen netten, spannenden, für mich aufschlussreichen Begegnungen. Ich habe viel von Dir gelernt und viel erfahren. Aber ich habe vor allem gespürt, dass uns etwas verbindet, was mehr ist als Ämter oder Funktionen oder Aufgaben. Wir lieben unsere Heimat. Und deshalb wirst Du mir und uns allen, unserem Dorf fehlen. Und ich danke Dir herzlich für all die Geschichten, die Du von und in Leimersheim erzählt hast. Du bist selbst Teil dieser Geschichte, du hast mit-gestaltet; und hast Dich so in herausragender Weise um unseren Ort verdient gemacht.
Danke für alles und Auf Wiedersehen in Ewigkeit!
Matthias Schardt, Bürgermeister der Ortsgemeinde Leimersheim
Sohn von: Marthaler Hermann
Bruder von: Marthaler Robert
Bewohner/in: Schlossgasse