Verzeichnis Namen und Leben

 

Geisert Friedrich (Fritz)

Beruf(e): Landwirt
Geburtsdatum: 04.08.1910
Geburtsort: Leimersheim
Sterbedatum (Todestag): 03.06.1987
Sterbeort: Leimersheim
Begräbnisort: Leimersheim

In englischer Kriegsgefangenschaft

Deutsche Kriegsgefangene im 2. Weltkrieg am Beispiel von Friedrich (Fritz) Geisert aus Leimersheim
Zusammengestellt von seiner Tochter Christiana Kantz, geb. Geisert
 
Fritz Geisert (*1910), eingezogen zum Kriegsdienst über die Wehrersatzdienststelle Speyer, geriet als Obergefreiter in einem Artillerieregiment im Alter von 34 Jahren am 24.10.1944 in Herzogenbusch/ 'S-Hertogenbosch (des Herzogs Wald) in den Niederlanden in englische Kriegsgefangenschaft, fünf Tage vor der Befreiung der Stadt von der deutschen Besatzung durch die alliierten Verbündeten. ’S-Hertogenbosch, ein hübsches Städtchen mit mittelalterlichem Stadtbild liegt in Südbrabant an der Dieze, einem Nebenfluss der Maas. Heute pflegt die Stadt eine Städtepartnerschaft mit Trier, einer Stadt des ehemaligen Feindes.

Der Krieg in den Niederlanden war eigentlich schon vorbei, da wurde Fitz Geisert im November 1944 von Holland nach England verbracht zuerst in das Camp 197, The Mount, Chepstow, Wales, dann Camp 200 Llanover Park, ebenfalls Wales und schließlich vom 10.5.1945 bis 15.4.1948 in das Camp 93 Harperley, das als Arbeitslager galt. Nach der Entlassung ging es dann am 17.4.1948 durch das Übergangslager Münsterland/Deutschland (Bocholt) in der britischen Besatzungszone heimwärts nach Leimersheim.
 
Das POW (Prisoners of War) Camp 93 Harperley befand sich auf einem Hügel in der Gegend Weardale im Nordosten von Großbritannien in der Provinz Durham.
Bis vor Kurzem war mir der Ort des Gefangenenlagers unbekannt. Während meiner ganzen Kindheit erzählte Vater uns Geschwistern von seiner Zeit irgendwo in England. Es waren positive Geschichten, von Menschen, die sich um die Gefangenen kümmerten, den Kontakten zu Bewohnern über das Lager hinaus, der Möglichkeit, Englisch lernen zu können, der Arbeit auf einer Farm. Wo dieser Ort in England  genau sein sollte, das fragte ich mich erst später, nachdem ich Vater nicht mehr fragen konnte. Glücklicherweise verwahrte das Bundesarchiv in Berlin einige Unterlagen. Selbst über das Lager gab und gibt es noch einige Informationen im „Netz“, nach denen ich erst als Erwachsene fragte, die mich erst dann interessierten.
Durch die noch erhaltenen Aufnahmen des Lagers Harperley läßt sich das Gefangenenfoto verifizieren. Es sind die gleichen Fenster, die gleichen Lehmziegeln, der gleiche Sockel wie auf dem Foto mit der Gefangenengruppe weiter oben.
 
Das Lager für deutsche und italienische Kriegsgefangene mit „geringem Risiko“ umfasste 49 Baracken für bis zu 1.400 Gefangene. Es bestand aus einem Wachlager, einem Häftlingslager mit Gartengrundstücken und einem Erholungsgebiet. Es gab keine Wachtürme, jedoch eine Umzäunung aus Stacheldraht.
 
Die Gefangenen wurden in großem Umfang als Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, bei Staudämmen, in der Forstwirtschaft und bei vielen anderen arbeitsintensiven Projekten vor Ort eingesetzt. Sechs Tage die Woche, Montag bis Samstag von 07:00 Uhr bis 19:00 Uhr. Morgens und abends wurde an der einzigen Pforte des Lagers durchgezählt, damit gesichert war, dass alle Gefangenen vor Ort waren. Die Behandlung war streng, aber human. Manche Gefangene (wie mein Vater) durften auch auf der Farm wohnen, wenn sich der Besitzer für Unterkunft und Wohlbefinden („common welfare“) verpflichtete. In seinem Fall entstand eine freundschaftliche Beziehung, und der briefliche Kontakt hielt noch einige Zeit nach seiner Rückkehr nach Deutschland an.
Das lange geltende Fraternisierungsverbot wurde im Dezember 1946  aufgehoben. Im Laufe des Jahres 1947 wurde den Gefangenen noch mehr Freiheiten zugestanden, wie z.B. der Besuch lokaler „Kinos, Geschäfte oder Restaurants. Der gegenseitige Kontakt führte zu einer Änderung des Images der deutschen Kriegsgefangenen in der Öffentlichkeit – zumindest dem Teil der Öffentlichkeit, mit dem sie zusammenarbeiteten, also den Bauern selbst und den im Umfeld des Hofes lebenden Dorfbewohnern. Und sicher konnten die Kriegsgefangenen ihr Bild vom britischen Feind ebenfalls korrigieren.
In einer der Hütten befand sich ein von den Kriegsgefangenen errichtetes Theater mit Bühne und Orchestergraben. Es gab viele talentierte Leute. In der Kantine wurden z.B. die Wände mit  Gemälde versehen. Die Gefangenen versammelten sich hier regelmäßig, um Karten zu spielen, Briefe zu lesen oder zu schreiben und Zeitungen (sowohl Englisch als auch Deutsch) zu lesen.
Aufgrund verschiedener Erfahrungen war die Sichtweise der Gefangenen bzw. Heimkehrer aus verständlichen Gründen unterschiedlich, jedoch waren sie sich darin einig, dass ihre Behandlung im Großen und Ganzen fair gewesen war. Manche begannen sogar ein neues Leben auf der anderen Seite des Ärmelkanals, in dem Land, das sie selbst jahrelang gefangen gehalten hatte.
 
Die Gesamtkategorisierung der Kriegsgefangenen durch die Alliierten ergab weiße (Nicht-Nazis/geringes Risiko), graue (mittleres Risiko) und schwarze (starke Nazis/hohes Risiko) Internierte. Kriegsgefangene in Großbritannien, die treue Anhänger der Nazis waren, wie SS-Mitglieder und U-Boot-Besatzungen, konnten in Lager an besonders abgelegenen Orten wie den schottischen Highlands geschickt werden.
Fritz Geisert bewahrte sich ein positives Bild von dem ehemaligen Kriegsgegner Großbritannien.
 
Text und Recherche: Christiana Kantz, geb. Geisert (Tochter)
Fotografien: Familienalbum Christiana Kantz, geb. Geisert 
Quellen: wikipedia.org//Harperley_POW_Camp_93
,
loquis.com/de/loquis/1524864/Harperley+Kriegsgefangenenlager+93

european-origins.com/2021/10/19/deutsche-kriegsgefangene-britannien/
systonimages.co.uk/f52762487 by Richards. MA. BA(Hons). ARPS


 
flo
 

Verwandtschaft

Sohn von: Geisert Gustav
Bruder von: Geisert Alfons
Bruder von: Geisert Robert Helmut
Bruder von: Geisert Heinrich

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