Da bis vor einigen Jahrzehnten alle Kinder im Dorf bei Hausentbindungen das Licht der Welt erblickt haben, hatten die Hebammen einen besondern Stand im Dorf, der von allen respektiert wurde.
Zu allen Zeiten haben Frauen den Gebärenden in den „schweren Stunden" beigestanden. Dabei haben sich bestimmte Frauen besonders geschickt erwiesen. Sie sind dann immer wieder gerufen worden und wurden so im Dorf zur Hebamme. Das Wort Hebamme kommt aus dem Althochdeutschen und heißt die „Hebende".
Die Hebammen in den früheren Jahrhunderten hatten keinerlei Hilsmittel, höchstens die, die sie aus der Natur kannten. Sie waren auf ihre Erfahrung und Menschenkenntnis angewiesen. Es kam ihnen zugute, daß die Frauen jener Zeiten ein robustes Naturell hatten, das sie auch haben mußten, denn sonst hätten sie bei der primitiven Lebensweise nicht überlebt. Die alte Hebamme vermittelte ihre Kenntnisse der Nachfolgerin, denn eine Hebammenschule gab es damals nirgends. Ursprünglich haben die Frauen eines Dorfes selbst bestimmt, wer ihre Hebamme sein soll. Sie mußte vor allem das Vertrauen der Frauen besitzen, einen guten Ruf haben und für Reinlichkeit bekannt sein.
Ab dem 19. Jh. standen die Hebammen im Dienste der Gemeinde. Sie erhielten ein jährliches kleines Gehalt. Nun aber entschied der Gemeinderat, wer im Dorf Hebamme wird.
Die kgl. Bezirksdirektion Landau gab bereits am 26. November 1817 eine Instruktion über die Hebammen heraus, mit der angeordnet wurde: „Für eine Bevölkerung von wenigstens 1200 Seelen ist ein Hebammenbezirk zu bilden. Bei der Bildung sind die Ortspfarrer, die kgl. Kantonsärzte und die Bürgermeister gutachtlich zu vernehmen ... so befiehlt die Allerhöchste Verordnung, daß die Ausbildung der Hebammen nur an den besonders dafür gebildeten Schulen gestattet ist ... wegen der nötigen Geschicklichkeit dürfen eine gewisse Zahl der Lebensjahre nicht überschritten seyn. Daß sie einen gesunden Körper haben und eine feste Konstitution, vorzüglich aber von unbescholtener Sittlichkeit seyen und ihre Familienverhältnisse mit ihrem Stande nicht in Widerspruch stehen; sie müssen das Vertrauen der Gemeinde besitzen. Die Kandidatinnen sollen nicht unter 20 Jahre und nicht über 36 Jahre alt seyn. Sie sollen lesen und schreiben und auch etwas rechnen können ..."
Bis vor wenigen Jahrzehnten waren in den Dörfern die Entbindungen zu Hause die Regel. Die Hebamme wurde erst gerufen, wenn die Wehen einsetzten. Die Hebamme blieb aber bei der Gebärenden, auch wenn es bis zur Entbindung noch Stunden dauerte. Nach der Geburt wurde die Wöchnerin, oder wie man sagte, „die Kindsbetterin", noch einige Wochen von der Hebamme betreut. Bei Beschwerden oder Erkrankungen des Säuglings rief man zuerst die Hebamme, denn einen Kinderarzt gab es weit und breit nicht.
Der Kirche war die Auswahl der Hebammen nicht gleichgültig, denn bei einem lebensbedrohlichen Notfall, und ein solcher trat in früheren Jahrhunderten allzu oft ein, hatte die Hebamme dem Neugeborenen die Nottaufe zu spenden.
Die junge Leimersheimer Hebamme, die 1831 von der Schule in Würzburg zurückkam, drängte die Gemeinde zur Anschaffung zusätzlicher Requisiten. Sie erreichte die Anfertigung eines Gebärstuhles, der vom Amtsarzt gutgeheißen worden war. (GRech 1831)
Im Jahr 1821 wurde die Hebamme Maria Anna Joss6 von der Gemeinde mit 40 Gulden jährlich besoldet. Die Hebamme in Kuhardt erhielt 20 Gulden. Die Hebamme Jakobina Weschler, die seit 1831 angestellt war und nur 33 Gulden im Jahr bekam, bat, nachdem die andere Hebamme schon 1835 verstorben war, mit einem Bittgesuch im Jahre 1840 um „die Erfüllung des Versprechens, da die Bittstellerin Mutter von 4 unmündigen Kindern ist und überdies sie durch ihren im Jahr 1840 davongelaufenen Ehemann samt ihren Kindern ihrem Schicksal überlassen wurde ..." Die Gemeindebehörde bekam von der Regierung 1843 die Weisung, der Hebamme jährlich 50 Gulden zu zahlen. Ab 1862 wurden wieder bis in die dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zwei Hebammen beschäftigt. Die Hebamme Jakobina Weschler starb 1871 nach 40 Dienstjahren.
Im Gemeinderat wurde am 19. März 1908 über eine ärztliche Aufklärungsschrift für junge Mütter beraten, die auf Empfehlung des Bezirksamtes beschafft werden sollte. Die Gemeinderäte - ausnahmslos Männer - lehnten sie ab. Als Begründung steht im Protokoll: „... Die Ernährung der Säuglinge geschieht bei vorhandener Stillfähigkeit der Mutter ausnahmslos an der Mutterbrust. Auch ist die Säuglingssterblichkeit minimal. deshalb kann von irgendwelchen Maßnahmen, wie sie von der Regierung angeregt, abgesehen werden." Auch in den folgenden Jahren wird die Aufklärungsschrift nicht bestellt. (GA)
Die letzte Hebamme in Leimersheim war Amanda Kreger, geborene Liebel, die in der Hirtengasse wohnte. Sie hat 1935 ihre Ausbildung begonnen und ist nach dem Examen von der Gemeinde Leimersheim angestellt worden. Sie war viele Jahre lang als Geburtshelferin im Dorf tätig und hat auch viele werdende Mütter in die Klinik begleitet und ihnen dort Beistand geleistet. Erst im hohen Alter hat sie ihren Beruf aufgegeben. Inzwischen ist die Klinikentbindung zur Regel geworden. Eine eigene Hebamme wird im Dorf deshalb nicht mehr benötigt.
Die Namen der Hebammen in Leimersheim seit dem 19. Jahrhundert:
1822 Maria Anna Heid, von 1831 bis 1871 Jakobina Weschler, geborene Martin, 1863 bis 1898 Katharina Schwab, geborene Wolf, 1872 bis 1902 Elisabeth Schwab, geborene Serr, 1898 bis 1935 Barbara Pfadt, 1902 bis 1936 Eva Kreger, geborene Geiger, ab 1936 Amanda Kreger, geborene Liebel.
Quelle: Ernst Marthaler, Leimersheim - Die Geschichte eines pfälzischen Dorfes am Rhein (2002) Seite 449-451
gla