Untere Hauptstraße
An der Stelle eines der starken Türme der Burg, nahe der Kirche, jenseits des Burggrabens steht jetzt das Gasthaus ‚Zum Goldenen Lamm‘ der Witwe Franziska Joachim, geborene Rauh, gehörig“, so schrieb 1840 der damalige Pfarrer Labbé ins Pfarrbuch. Der Ehemann der Wirtin, Gottfried Joachim, 1822 gestorben. Als die Wirtin starb, übernahm der Sohn bis zu seinem Tode 1861 die Gastwirtschaft und auch dessen Sohn August betrieb sie zeitlebens bis 1914. Seine Witwe führte den Betrieb bis in die zwanziger Jahre weiter. Dann übernahm der Sohn Ernst August, der inzwischen auch Posthalter geworden war, die Gaststätte bis zum Jahr 1950. In jenem Jahr wurde die Konzession auf die Kinder Joachim übertragen, und letztlich war der Sohn Ernst Joachim der Gastwirt, der daneben ebenfalls die Poststelle innehatte. Inzwischen ist die Gastwirtschaft schon lange aufgegeben.
Die Joachims waren in früheren Zeiten auch Bierbrauer. Unter dem Hof war – und ist vermutlich heute noch – der Bierkeller. Im Winter wurde darin das Eis gelagert, das bei Frost auf den ortsnahen Gewässern gebrochen worden war. Es sollte das Bier in den warmen Monaten kühlen du frisch halten.
In den 30er Jahren des 20. Jhs wurde die auf dem Grundstück stehende Scheune abgebrochen und an ihrer Stelle eine Tabakwiegehalle gebaut, die heute dort noch steht, aber schon lange nicht mehr benutzt wird. In der Vorkriegszeit kam noch der neugebaute, ebenerdig gelegene große Tanzsaal hinzu, in dem nicht nur an der Kerwe getanzt werden sollte, sondern ebenso bei den Vereinsbällen. Und vor allem war der Saal für die Tanzdiele bestimmt, die bis zum Herbst 1939 an den Sonntagen darin stattfand und neben der örtlichen Jugend viele junge Leute aus der Umgebung anlockte.
In den letzten Kriegsjahren (des 2. WK, Anm. der Redaktion) war von den staatlichen Behörden eine große Menge fermentierter Tabak in den Saal ausgelagert worden, der dort bis Ende 1945 blieb. Bald danach wollten die Wirtsleute die Tanzdiele wiedereröffnen. Aber der Gemeinderat hatte zunächst Bedenken und lehnte noch 1948 den Antrag ab. Einige Jahre später gab ein neuer Gemeinderat dann doch noch seine Zustimmung. Die Tanzdiele wurde vor allem von der jungen Generation besucht. Der große Raum eignete sich auch gut für Filmvorführungen, wofür ihn die NS-Gaufilmstelle in den dreißiger Jahren mit ihrem Wanderkino ausgiebig benutzte. Nach dem Kriege führte ein Kinobesitzer aus Wörth dort regelmäßig seine Filme vor, und er hatte immer viel Publikum, bis das neue Heimkino, das Fernsehen, ihm Konkurrenz machte.
Es gab im Garten der Gastwirtschaft eine Kegelbahn, die vor allem von den jungen Männern des Dorfes an den Sonntagen stark frequentiert wurde. Die Buben aus der Nachbarschaft konnten sich dabei einige Pfennige Taschengeld verdienen, wenn sie die Kegel aufstellten und die Kugeln zurücklaufen ließen.
In dem Schankraum wurde später die Poststelle eingerichtet. Der Tanzsaal wird seit vielen Jahren nicht mehr benutzt. Zuvor war er viele Jahre Proberaum für die Aktiven des Musikvereins, bis der Musikpavillon bei der Sport- und Freizeithalle von ihnen benutzt werden konnte.
and/red
Text: Ernst Marthaler
Quelle: Ernst Marthaler, Ortschronik "Leimersheim - Die Geschichte eines Dorfes am Rhein" (2002)
Fotografien: Fotosammlung der Ortsgemeinde Leimersheim