Wenn in früheren Jahren im Spätherbst der erste Frost sich ankündigte und die Nebel kamen, die den nahen Winter spüren ließen, zog der Schäfer mit seiner Herde, aus dem Württembergischen kommend, ins Dorf. Er hatte mit der Gemeinde einen Vertrag, der ihm die Erlaubnis gab, seine Schafe während der Wintermonate in der Gemarkung auf den Brachäckern, den Wiesen und an den Wegen weiden zu lassen. In der Nähe des Dorfes schlug er das Gatter (den Pferch) auf und stellte seinen Schäferkarren daneben.
Gegen Abend kehrte er mit seiner Herde dorthin zurück. Während der Schäfer in seinem Karren nächtigte, wurden die Schafe von seinen Hunden bewacht.
Bevor sich die ersten Frühlingsboten zeigten, nahm der Schäfer wieder Abschied und zog mit seiner Herde, die sich um einige Lämmer vergrößert hatte, in die heimatlichen Fluren zurück. Im nächsten Herbst kam er wieder.
Seit einigen Jahren bleibt der Wanderschäfer aus. Der romantische Anblick der ohne Hast ruhig ihres Weges ziehenden Schafe, die ihrem Schäfer folgt, der langsamen Schrittes vorausgeht, dessen Hunde aber die Herde wachsam umkreisen, wird in unserem Dorfbild leider vermutlich für immer verschwunden sein.
Quelle: Ernst Marthaler, Die Geschichte eines pfälzischen Dorfes am Rhein (2002), Seite 545
gla