Holzschuhmacher

Zu Großvaters Zeiten trugen die meisten Männer nur dann Lederschuhe, wenn sie werktags zur Arbeit oder sonntags zur Kirche und ins Wirtshaus gingen. Ansonsten hatten die Männer Holzschuhe an den Füßen. Dieses Schuhwerk war im Dorf deshalb besonders praktisch, weil man es vor der Haustür stehen lassen konnte, was bei den unbefestigten, oft nassen Gassen und Höfen verhinderte, daß der Straßenschmutz in die Stuben getragen wurde. Gleiches galt auch für die Arbeit im Stall. Außerdem hatte man immer warme Füße, denn in den Holzschuhen wurden spezielle, besonders dicke, selbstgestrickte Socken getragen. Die Frauen hatten meist nur ein Paar Lederschuhe für die Sonn- und Feiertage. Werktags gingen sie in ihren Holz­schuhen. Für die Kinder standen im Eingang zur Kirche und im Schulhaus Regale, in die sie die Holzschuhe einstellten. Dort standen dann Dutzende von Holzschuh-Paaren. Es konnte nicht ausbleiben, daß da mancher Schabernack getrieben wurde. Oft sind einzelne Schuhe ver­steckt worden. Fanden die Besitzer ihren Schuh nicht, mußten sie auf Socken nach Hause lau­fen. Es gab deswegen oftmals Raufereien, wenn die Schule aus war und alle Kinder sich auf die Regale stürzten.
Das für Holzschuhe geeignete Pappelholz bot in reichem Maße unser Gemeindewald. Die Stämme wurden von den Handwerkern rechtzeitig ausgesucht und eingekauft, denn das Holz mußte lange gelagert werden, bis es zu Holzschuhen verarbeitet werden konnte. Die vom Stamm abgesägten Klötze hat man in Holzstücke gespalten, die etwas länger als die Schuhe waren. Dann wurde auf der Schnitzbank mit einem langen Messer, das am linken Ende der Bank mit einem Scharnier festgemacht war und am anderen Ende einen querstehenden Griff hatte, dem Holz die grobe Form eines Schuhes gegeben. Dieser noch ungestaltete Schuh wurde jetzt in die Werkbank eingespannt und mit einem langstieligen Bohrer, dessen Holzgriff mit zwei Händen gepackt werden konnte, ausgehöhlt und der entstehende Hohlraum geglättet. Schließlich bekam der Schuh mit dem scharfen Schnitzmesser die endgültige und markante äußere Form. Die fertigen Holzschuhe wären aber in diesem Zustand viel zu schwer gewesen, denn es war immer noch zuviel Saft im Holz. Deshalb kamen sie in die Darre, die sich außerhalb der Werkstatt im Garten befand. Dieser Räucherofen war mindestens zur halben Höhe ins Erdreich eingelassen. Um das richtige Feuer zu entfa­chen, das gute Hitze gab, aber die Holzschuhe den­noch nicht verbrannte, bedurfte es sehr vieler Erfahrung. Wenn die Schuhe aus der Darre kamen, waren sie sehr leicht geworden und hatten eine etwas bräunliche Farbe angenommen. Nun bekamen sie noch einen Lederriemen verpaßt, der den Fußrücken, den „Reihen" schonen sollte. Es gab auch Sonderstücke, die der Handwerker schwarz anstrich oder mit geschnitzten Ornamenten versah. Jeder Holzschuhmacher hatte sich sein eigenes Modell erarbeitet und Kenner konnten an der Ausformung ersehen, aus welcher Werkstatt der Schuh kam.
Käufer fanden sich nicht nur im Dorf. Gute Kundschaft gab es auch in Germersheim und im Badischen. Manch einer der jungen Holzschuhmacher schob im Frühjahr seine Ware, hoch­gepackt auf einem Schubkarren, dem Schallkarch, über die Fähre und kam abends mit klingen­der Münze im Beutel zurück. Da diese Handwerker vor allem während des Winters arbeiteten und in solchen Tagen auch die Bauern wenig zu tun hatten, war immer Zeit für ein kurzes oder auch längeres Schwätzchen in der warmen "Werkstatt. Während der Handwerker fleißig werk­te, wurde lang und breit über Gott und die Welt geplaudert und vor allem über die Dorfpolitik schwadroniert. An so einem Tag hüllten bald dicke Rauchschwaden die ganze Werkstatt ein. Die Bauern rauchten ihre Tabakpfeifen oder den „Stumpen", denn Zigaretten waren noch nicht so sehr in Gebrauch und Zigarren waren den meisten zu teuer. (E)
 Der Gemeinderat hatte 1925 beschlossen, daß sich die Gemeinde mit einem Wagen am Festzug beim Südwestdeutschen Heimattag in Karlsruhe beteiligt. Es sollte das Handwerk des Holz­schuhmachers dargestellt werden. Mehrere junge Handwerker zeigten dabei ihr Können und führten vor, wie ein Holzschuh entsteht. Auf einem Podest war außerdem ein zwei Meter langer Schuh aufgebaut, in dem die damals 10-jährige Emma Ochsenreither im weißen Festkleid saß. (Sie war die Tochter des Maurers August Ochsenreither, der im Winter als Holzschuhmacher arbeitete, und sie heiratete später den Holzschuhmacher Otto Stadter aus Rülzheim.)
Vor dem 2. Weltkrieg gab es noch mehrere Holzschuhmacher im Dorf. Danach waren es nur noch vier (Geisert Max, Boltz Josef u. Robert und Stadter Otto). Max Geisert jun. führte die Holzschuhmacherei seines Vaters in der Hirtengasse fort, der schon vor dem Kriege eine spe­zielle Bohrmaschine benutzte.
Einige Jahre später ging die Zeit der Holzschuhe zu Ende. Gleichzeitig mit dem allgemeinen Wohlstand kam besseres und billigeres Lederschuhwerk auf den Markt, das auch für die Dorf­bewohner erschwinglich war. Die Kinder und Jugendlichen kennen Holzschuhe nur noch vom Hörensagen. Das Geklapper der hölzernen Schuh in den Gassen ist schon lange verstummt.
 
Quelle: Ernst Marthaler, Die Geschichte eines pfälzischen Dorfes am Rhein (2002), Seite 477/478
(E) Ernst Marthaler - Eigene Erlebnisse

gla
 

Personen

Boltz Josef
Bürckel Eugen Max
Ochsenreither August

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