In den Zeiten, in denen nur wenige Leute einen Fotoapparat besaßen, haben zwei Leimersheimer sich mit der neuen Technik vertraut gemacht und Bilder von Personen, dörflichen Ereignissen und auch Stilleben „geschossen". Der Tünchermeister Leo Ochsenreither hat im Nebenberuf gewerbsmäßig die Fotografie betrieben und die Kunden in seinem Freiluft-Atelier abgelichtet. Dieses hatte er im Garten seines Hauses im Oberdorf aufgebaut. Die „Abzubildenden" wurden einzeln oder in Gruppen vor einer Dekoration aufgebaut, die aus auswechselbaren Bildwänden bestand, auf der z. B. ein ortsbezogenes Waldpanorama dargestellt war, das der Tünchermeister selbst gepinselt hatte. Er produzierte zwar nur Schwarzweißbilder, doch sie sind noch heute gut erhalten und gestochen scharf. Sein immens großer Fotokasten stand auf einem Stativ, denn er brauchte seine beiden Hände, um ihn zu bedienen. Die Belichtung durch die große Linse an der Vorderseite dauerte ziemlich lange, zu lange für
die lebenden Objekte, die so lange stillhalten mußten. Bevor der Meister unter sein schwarzes Tuch schlüpfte, rief er noch in seiner hohen Stimmlage: „Sou, jetzt awerfriindlichr und zu den Kindern sagte er: „Guck, gleich kummt's Vöchle raus!".
Der Fotograf entwickelte die Bilder noch selbst in seiner Dunkelkammer. Großen Zulauf hatte er, als in den dreißiger Jahren alle Erwachsenen eine sogenannte „Kennkarte" mit einem Paßbild haben mußten.
Ein anderer junger Mann, Hermann Wolf, einer der fünf Buben des „Bachschräiners" im Oberdorf neben der Mühlbrücke, von denen nur er den Krieg überlebte, hat in den 30er Jahren im Dorf viel fotografiert. Auch er bastelte sich schon damals ein „Studio", das heute noch von seinem Sohn aufbewahrt wird. Er setzte seine Probanden vor ein fiktives blumengeschmücktes Fenster, das einen Ausblick auf Äcker und Wiesen bot. In seinem Nachlaß befinden sich interessante Bilddokumente vom dörflichen Leben in jenen Jahren.
Bald nach der Währungsreform kauften sich besonders die Jüngeren Fotoapparate und konnten nun selbst Fotos „schießen". Der Fotograf im Dorf wurde nicht mehr gebraucht.
Quelle: Ernst Marthaler, Leimersheim - Die Geschichte eines pfälzischen Dorfes am Rhein (2002) Seite 488
gla