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Bürgerhaus

Untere Hauptstraße 6

Das Haus für Bürger und Vereine – Untere Hauptstraße 6

 

Zur Geschichte des Hauses

 

Zu seinem 1225-jährigen Geburtstag, den Leimersheim im Jahre 2003 feierte, gehörte auch ein bleibendes Monument, das als Geschenk an Bürger und Vereine gesehen werden kann, das „Bürgerhaus“. Mit der Einweihung dieses Hauses am 10. Januar wurde das Fest eröffnet. Das neue/alte Gebäude entspricht dem Wunsch vieler Bürger und soll dem geselligen und kulturellen Leben in der Gemeinde einen neuen Mittelpunkt geben. Dazu ist es auch durch seine Lage in der Ortsmitte gegenüber der Kirche bestens geeignet.

Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass dieses Haus nicht als moderner Neubau entstand, sondern ein Haus mit Geschichte ist, das größte Fachwerkgebäude in Leimersheim, das auch die Leistungen unserer Vorfahren unter Beweis stellt. Wer sich das Gebälk des Dachstuhls und die zahllosen „Fachwerke“ betrachtet, sich dabei die damaligen handwerklichen Techniken und Möglichkeiten im Gegensatz zu unserem maschinellen Zeitalter vergegenwärtigt, der kann nur voller Achtung das Werk unserer Vorfahren bewundern.

Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Das Haus hat eine Geschichte, die eng mit der Entwicklung von Leimersheim und dem Leben seiner Bewohner verknüpft ist. Als Baujahr gilt das Jahr 1775, das an der südöstlichen Gebäudeecke in einen Eichenbalken eingeschnitzt wurde. Das Fachwerkgebäude hat die stattlichen Außenabmessungen von 12x18 m und wurde als Forsthaus errichtet, in dem der kurpfälzische Förster wohnte und seine Verwaltungsaufgaben wahrnahm. In den Besitz der Gemeinde kam das Gebäude allerdings erst im Jahre 1829. Nach längeren Kaufverhandlungen mit dem Oberförster Philipp Jakob Wolf unterzeichnete man am 20.April 1829 den Kaufvertrag. Die Gemeinde erwarb das Haus für 5000 Gulden, nachdem zuvor der damalige Bezirksbauconducteur Dyck in einem Gutachten festgestellt hatte, dass der Betrag nicht übersetzt sei, er aber glaube, dass das hölzerne Haus nach sechzig Jahren durch ein steinernes ersetzt werden müsse. Die Gemeinde hatte das Gebäude gekauft, um darin ihre Schule neu einzurichten, da das alte Schulhaus viel zu klein war. Sie investierte dafür noch 2000 Gulden Umbaukosten und besaß nun eine stattliche Schule mit zwei Sälen und dem Gemeindebüro im Obergeschoss sowie einer geräumigen Lehrerwohnung im Erdgeschoss. Doch bald wurde ein dritter Schulsaal erforderlich, den man gewann, indem man das "Bürgermeisterlokal“ in das in das Erdgeschoss verlegte. So verfügte die Gemeinde jetzt über drei Schulräume, zwei mit jeweils ca.55 und einen mit ca.75 Quadratmetern. Allerdings vermerkt dazu der damalige Lokalschulinspektor und Pfarrer Labbé 1841: „Die Schulstuben sind zwar groß und geräumig, allein zu klein für die vielen Kinder.“

Aus dem Jahr 1844 wird berichtet, dass die „Ökonomiegebäude“ hinter dem Schulhaus neu gebaut wurden: Back- und Waschküche sowie Schweineställe für die „Ökonomie“ des Lehrers, aber auch ordentliche „Abtritte“, besonders letztere zur Erhaltung der Reinlichkeit, Sittlichkeit und Gesundheit der Schulkinder. Die Baukosten betrugen 744 Gulden.

Dennoch nahmen die Klagen der Schulbehörde nach einiger Zeit wieder zu. Sie beanstandete vor allem fehlende Toilettenanlagen für Mädchen und Jungen, die „herrschende Unreinlichkeit“ und die zu geringe Größe der Schulräume. So verlangte die Behörde schließlich einen Neubau, dem die Gemeinde entsprechen wollte. Offenbar gab es aber starke Widerstände, wie aus einem Artikel des „Landauer Anzeigers“ vom 30.Januar 1899 hervorgeht. Dabei werden noch einmal die Vorzüge der bisherigen Schule hervorgehoben: „ … Unser derzeitiges Schulhaus, ein langgestreckter zweistöckiger Bau, ehemaliges Forsthaus mit außerordentlich solidem Balken- und Sparrenwerk, in der Mitte des Dorfes und in unmittelbarer Nähe der Kirche, an der schönen Rheinstraße gelegen, enthält in seinem Erdgeschoss die Wohnung des Lehrers der oberen Schule nebst Zubehör und das Bürgermeistereilokal; in dem oberen Stock dagegen drei Lehrsäle, mit prächtigen Licht- und Luftverhältnissen, von denen der Herr Bezirksarzt in seinem Gutachten gesagt hat, dass gegen sie in gesundheitlicher Beziehung nicht das geringste einzuwenden sei. Besagte Lehrsäle …. haben von jeher .... vollständig genügt. …. Wir haben noch niemals darüber klagen hören. Man möge nun einmal unsere Weschler und Schwab, wahre Hünengestalten, und die anderen wetterharten Männer unserer Gemeinde betrachten, die alle durch die nunmehr ungenügend sein sollenden Schulsäle gegangen sind, ohne einen Mangel davongetragen zu haben. ….. “

Trotz dieses Lobliedes auf die bisherige Schule musste die Gemeinde auf Druck der Behörde einen Neubau angehen, der bereits 1902 feierlich eingeweiht werden konnte. Die alte Schule blieb längere Zeit im Gemeindebesitz und wurde als Lehrerwohnung, zeitweise als Kindergarten und vor allem als Wohngebäude für mehrere Familien genutzt. In den 1970er Jahren, als bedeutende Sanierungsmaßnahmen erforderlich wurden, veräußerte die Gemeinde das Anwesen. Damals sah man keinen Bedarf für ein derartiges Gebäude, auch war die Gemeinde nicht in der Lage, die notwendigen Investitionen vorzunehmen. Zudem war die Fachwerkstruktur unter einer dicken Putzschicht verborgen und niemandem bekannt.

 

Das neue Bürgerhaus

In den 90er Jahren hatte sich die Situation geändert und es wurde immer häufiger beklagt, dass es zu wenig Räumlichkeiten gebe, in denen Bürger private Feiern und Vereine kulturelle Veranstaltungen durchführen konnten. Da bot sich der Gemeinde die Chance, das große Haus in der Ortsmitte zurückzukaufen, um diesem Bedürfnis zu entsprechen. Im Jahre 2000 erwarb sie das Anwesen und die Planungen begannen.

Anfänglich bestanden sehr unterschiedliche Vorstellungen, wie das Gebäude zu nutzen sei. Nachdem aber eine genauere Besichtigung ergeben hatte, dass es sich um ein Fachwerkhaus handelte, dessen Balkenwerk gut erhalten war, fiel die Entscheidung, das Fachwerk zu belassen , sehr schnell. Die Gemeinde beauftragte die Architekten Prof. P. Weller und K.-M. Zipp, Dipl.Ing., mit der Planung des neuen Bürgerhauses unter der Vorgabe, das Fachwerk zu erhalten. Sie entwarfen in mehreren Planungsschritten ein überzeugendes Konzept, für dessen Umsetzung hohe Zuschüsse zugesagt wurden. Das Fachwerkgebäude sollte bis auf das Holzskelett zurückgebaut und entkernt werden. In beiden Geschossen sollten – als Herzstück des Ganzen – zwei Versammlungsräume mit jeweils 120 – 150 Plätzen entstehen; auf der Südseite nahm ein angesteifter Neubau die notwendigen Funktionsräume auf. Dadurch wurde die straßenseitige Erscheinung des Fachwerkgebäudes nur wenig beeinträchtigt.

Die vorgesehene Saalnutzung machte es nötig, alle Zwischenwände zu entfernen. Für sie musste aus statischen Gründen eine Stahlkonstruktion eingebracht werden, die dem Gebäude die notwendige Stabilität verleiht. Auf Grund seiner herausgehobenen Stellung erhielt das Biberschwanzdach eine Kroneneindeckung.

Besonders eindrucksvoll wurde der Saal im Obergeschoss ausgebaut. Hier ist der gesamte Dachraum in das Saalvolumen einbezogen und der Blick freigegeben auf das Dachgebälk. Die Raumwirkung wird zusätzlich verstärkt durch das Nebeneinander dieser alten Holzkonstruktion und der farblich akzentuierten neuen Holzteile.

Das neue Gebäude nahm das Treppenhaus mit Fahrstuhl, Küchen- und Vorrichträume auf sowie Stuhllager und in jedem Geschoss Toilettenanlagen. Die Hoffläche auf der Südseite ist als Innenhof gestaltet mit einem überdachten Endteil, einer ansprechenden kleinen Grünanlage mit Bänken, Bäumen und einer Spielecke für Kinder.

Dass dieses vielfältige Werk in so kurzer Zeit (Kauf am 4.April 2000, Einweihung am 10.Januar 2003) gelingen konnte, ist wesentlich das Verdienst des damaligen Ortsbürgermeisters Hugo Dörrler, der als treibende Kraft hinter allen Maßnahmen stand, beflügelt von der Idee, mit der Einweihung des Bürgerhauses die 1225-Jahrfeier zu eröffnen.

In der Zwischenzeit hat sich das Bürgerhaus bei zahlreichen Veranstaltungen bewährt. Mit seiner Außenanlage war es Mittelpunkt des Schmugglerfestes und seiner Freilichtaufführung. Inzwischen wird es nicht nur von den Vereinen und bei vielen Hochzeiten zum Feiern, sondern auch als Standesamt für Trauungen genutzt. So stellt es nicht nur optisch, sondern auch kulturell eine große Bereicherung für das Dorfleben in Leimersheim dar.

Text: Anton Kuhn

Literatur

1225 Jahre Leimersheim - Festschrift 2003
Herausgeber: Ortsgemeinde Leimersheim,
Text: Anton Kuhn

Ernst Marthaler, Leimersheim 778 – 2002.
Die Geschichte eines pfälzischen Dorfes am Rhein
Herausgeber: Ortsgemeinde Leimersheim

 

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