Verzeichnis Namen und Leben

 

Weschler Hermann

Beruf(e): Schiffsführer
Geburtsdatum: 24.09.1907
Geburtsort: Leimersheim
Sterbedatum (Todestag): 05.10.1992
Sterbeort: Kandel
Wohnort(e): Leimersheim

Stationen in meinem Leben:
Hermann Weschler, geb. am 24.09.1907 in Leimersheim, Sohn von Konrad Weschler und Frau Katharina geb. Geiger. Von 1914 bis 1921 habe ich die Volksschule in Leimersheim besucht. Nach der Entlassung aus der Volksschule gab es weder Lehrstellen noch Arbeitsplätze, so mussten wir uns arbeitslos melden. Dies war schon der Anfang der Inflationszeit, eine Folge des verlorenen ersten Weltkrieges.
 
Als Arbeitsloser musste man drei Tage in der Woche Arbeitsdienst leisten. So bekam ich einmal für eine Woche 28 Millionen Mark. Was konnte man sich für dieses Geld kaufen? Sage und schreibe bekam ich für diese 28 Millionen Mark eine Tabakpfeife!
 
Nach zwei Jahren Arbeitslosenzeit bekam ich im April 1924 eine Arbeitsstelle bei der Hoch- und Tiefbaufirma 'Grün und Bilfinger', wo auch mein Vater als Baggerführer beschäftigt war. Aber kaum zwei Jahre bei der Firma im Dienst, mussten wir Jungen Platz machen für die verheirateten Arbeiter, wiederum eine Folge des verlorenen ersten Weltkrieges mit steigender Arbeitslosenzahl. Nun wechselte ich zur Rheinschiffart, aber auch da machte sich die Wirtschaftskrise immer bemerkbarer, so dass es zur Stilllegung ganzer Reedereien kam. Als im Jahre 1931 die Rheinregulierung Kehl-Istein in Angriff genommen wurde, meldete ich mich beim Wasser- und Schifffahrtsamt Offenburg und konnte auch gleich nach der Zusage  meine Arbeit als Boots- und Baggerführer dort aufnehmen.
 
Im Jahr 1937 gingen die Arbeiten bei der Rheinregulierung Kehl-Istein zu Ende und nach Vermittlungen konnte ich zum Wasser- und Schifffahrtsamt Speyer überwechseln, wiederum als Bootsführer im Außenbezirk Maximiliansau.
 
Nach Ausbruch des zweiten Weltkrieges wurde  der Wasserstraßen-Luftschutz eingerichtet. Von da an ging es auch beim Wasser- und Schifffahrtsamt  in etwa militärisch zu. Wir wurden eingekleidet und waren somit 'in etwa' Soldaten geworden. Für Maximiliansau kam der große Einsatz, nachdem die Franzosen die ersten Treibminen im Rhein einsetzten. So kamen im Raum Karlsruhe an den ausgelegten Minen-Sperren täglich etwa 60-70 Treibminen zur Detonation. Eine sehr gefährliche Arbeit war die Beseitigung solcher Treibminen.
 
Im Jahr 1942 wurde ich dann  zur Wehrmacht eingezogen und nach vierwöchiger Ausbildung beim Pionier-Bataillon Worms ging es schon ab an die Front nach dem Osten. Nach dreiwöchiger Fahrt im Viehwagen landeten wir bei der 6.Armee (Paulus) in Stalingrad. Unmittelbar hinter der Front bauten wir Stellungen für die kämpfenden Truppen. Am 30. Okt.1942 musste ich mich beim Kompaniechef  melden. Nach der Meldung sagte mir der Hauptmann: 'Weschler, Sie sind der glücklichste Mensch der Kompagnie, Sie werden entlassen!' Am 31. Okt. 1942 nahm ich dann Abschied von den Kameraden, mit denen man vorher schon so manches durchgestanden hatte, mit einem leisen Bangen auf ein 'nicht mehr Wiedersehen', denn wir sahen es ja jeden Tag besser, aus dem Hexenkessel gibt es kein Heraus mehr.
Als ich am 31. Okt. 1942 von meinen Kameraden Abschied nahm, war die 6.Armee Stalingrad schon so gut wie verloren. Von Tschier (Bahnstation am Don) konnte ich dann die Heimreise antreten. Nach neun Tagen kam ich dann in der Heimat an. Ich musste mich zunächst in Worms zur Entlassung aus der Wehrmacht melden und wurde dann an das Arbeitsamt in Germersheim überwiesen. Vom Arbeitsamt lautete dann der Marschbefehl, in Berlin bei der Organisation 'Tod' zu melden. Die Organisation 'Tod' , damals auch zuständig für den Westwall-Bau, wollte eine Transportflotte nach dem Osten aufstellen. Um für dieselbe Personal zu bekommen, zog die Wehrmacht 1000 Mann aus dem Heeresdienst heraus (Schiffer mit Patent für eigene Triebkraft). Einer dieser Männer war ich und somit hatte ich das Glück, aus Stalingrad herauszukommen. Dass es zu der erwähnten Transportflotte nach dem Osten nicht kam, war die Kapitulation der 6.Armee und das verlorene Stalingrad. Danach wurde ich zu meiner alten Diensteinheit überwiesen und dort dem Wasserstraßen-Luftschutz Kehl zugeteilt. Aber es sollte nicht lange so sein, in der Heimat zu sein. Im März 1943 musste ich mich zum zweiten mal bei der Wehrmacht melden. Jetzt hiess es zunächst nach Metz, dann nach Nancy, um nochmals eine Ausbildung mitzumachen.
 
Nach nochmaliger Ausbildung von vier Wochen ging es ab zur Marschkompagnie nach Salzburg und nach einigen Tagen wieder ab in den Osten, zum zweitenmal nach Russland. Zuerst hieß es, wir sollten einen Funker-Lehrgang mitmachen in Mannheim, aber das 'Mannheim' hieß 'Krieworog', nicht weit vom Schwarzen Meer entfernt. Schon nach drei Wochen Funkerlehrgang mussten wir vor den anstürmenden Russen flüchten. Nach tagelangen Märschen wurden wir den einzelnen Verbänden zugeteilt. Am 8. März 1944 wurde ich verwundet und nach fünf Tagen kam ich endlich auf den Hauptverbandsplatz 'Urma'. Meine Verwundung war ein Durchschuss am linken Fußgelenk. Im B.V.Z. kam ich dann nach Krakau, von dort mit einem Lazarettzug nach Schmalkalden in Thüringen, von dort nach Füssen im Allgäu zum Ersatzbataillion. Nach einigen Wochen in Füssen wurde ich abgestellt zum Genesungsbataillion nach Dänemark. In Dänemark auf der Insel Fühnen konnte man es aushalten. Zu Essen gab es genug und gut. Ende Februar 1945 sollten wir wieder verlegt werden, aber nun ging ja schon alles drunter und drüber. Zwei Tage vor Ostern 1945 ging nichts mehr. Wir kamen nur noch bis Minden bei Hannover. Am Ostersonntag 1945 ging Minden verloren. Als der 'Ami' Minden überrollte, gingen wir in Deckung, mein Kamerad Jupp aus Köln und ich. Wir fanden ein Versteck in einer Ruine. Nach drei Tagen wagten wir uns aus unserem Versteck heraus, nachdem wir uns über ein Guckloch in unserem Versteck überzeugt hatten, dass wir es wagen konnten, aus dem Versteck heraus zu gehen. Wir wurden von den Frauen aus den Häusern unseres Verstecks sorgfältig behütet, dass wir dem 'Ami' nicht in die Füße liefen. Nachdem wir von den Frauen Zivilkleidung erhalten hatten, konnten wir uns auch auf der Straße bewegen. Am Montag nach dem Weißen Sonntag 1945 traten wir zu Fuß die Heimreise an, nachdem wir uns in der Gegend erkundet hatten. Nach Tagen konnten wir, mein Kumpel Jupp aus Köln und ich, von zwei Italienern zwei Fahrräder organisieren und schon ging es per Fahrrad weiter. Aber nur für eine kurze Strecke war es uns vergönnt, mit dem Fahrrad weiterzukommen. Am Straßenrand hielt ein Lkw, von den Ami's besetzt und wir mussten auf den Lkw  aufsteigen. Im nächsten Kreisstädtchen kam es zum Verhör. Mein Freund Jupp und ich, wir hatten beide unsere Entlassungsscheine von 1942 bei uns und so durften wir nach drei Tagen wieder weiterreisen, auch die Fahrräder hatte man uns gelassen. So fuhren wir weiter der Heimat entgegen. In Marburg an der Lahn trennten wir uns dann, denn die Familie von meinem Freund war in dieser Gegend evakuiert. So fuhr ich dann allein weiter. Mein Ziel war zunächst Frammersbach im Spessart. Da ich ja schon lange Zeit ohne Nachricht von zuhause war, wir aber ausgemacht hatten, wenn meine Frau und die Kinder von zu Hause fort müssten, dass sie dann in Frammersbach bei meinem Freund Andreas Kirsch eine Bleibe finden könnten.
 
In Frammersbach angekommen, traf ich zufällig auf der Straße meinen Freund, von meiner Familie konnte er mir aber keine Auskunft geben. In Frammersbach musste ich dann zunächst einmal, Rast machen, erst am dritten Tag durfte ich meine Reise fortsetzen. Am 28. April 1945 konnte ich bei Liedolsheim/Baden den Rhein mit einem alten Dreibord überqueren und kam noch vor der Sperrzeit um 17 Uhr daheim an.
 
Was das für ein Wiedersehen war, nach der langen, langen Ungewissheit, Frau und Kinder gesund wieder zu finden. Ein unvergesslicher Tag, der 28. April 1945!
 
Aber nur für drei Tage durfte ich zu Hause bei der Familie sein. Ein Aufruf der Besatzungsmacht hiess, alle ehemaligen Soldaten müssen sich beim Bürgermeisteramt melden und am nächsten Tag ging es ab nach Landau. In der Pestalozzi-Schule wurden wir abermals verhört. Da ging noch so mancher von den Ami's entlassene Soldat in französische Kriegsgefangenschaft. Aufgrund meines Entlassungsscheines von 1942 kam ich jedoch am dritten Tag wieder frei.
 
Zwei Monate nach der Kapitulation im Mai 1945 wurde die Arbeit beim Wasser- und Schifffahrtsamt wieder aufgenommen, allerdings gab es anfangs nicht die gewohnte Arbeit als Bootsführer, da alle Fahrzeuge des Wasser- und Schifffahrtsamtes nicht mehr einsatzfähig  waren.
Inzwischen wurde mit dem Bau der Rheinbrücke bei Maximiliansau begonnen. Im Zuge der Beseitigung der gesunkenen Schiffe und Fahrzeuge im Rhein wurden Schiffshebekräne eingesetzt. Auf einem solchen Hebekran mit einer Hebekraft von 100-250 Tonnen war ich als Geräteführer im Einsatz. Anfangs der 50er Jahre waren dann die Bergungsarbeiten soweit abgeschlossen und ich konnte dann erstmals wieder auf mein Motorboot mit dem Namen 'Lauter' des Wasser- und Schifffahrtsamtes Mannheim, auf dem ich bis zu meiner Pensionierung im September 1972 Dienst tat, als Bootsführer tätig werden.
Somit war ich von Mai 1931 bis September 1972 bei folgenden Wasser- und Schifffahrtämtern beschäftigt: Offenburg, Speyer und Mannheim, insgesamt 41 Jahre.
Aufzeichnungen von Hermann Weschler aus dem Jahr 1986.
Eingestellt von Emil Weschler


Bericht in der BNN vom 19.Januar 1962
Gekentertes Motorboot wurde gestern gehoben
In letzter Sekunde hatte der Bootsführer noch aussteigen können
Der erste auf seinem dem Wasser entrissenen Fahrzeug: Hermann Weschler


Das Motorboot des Wasser- und Schiffahrtsamtes Speyer, das vergangenen Sonntag in der starken Strömung des Rheins unweit der Fähre Leimersheim-Leopoldshafen kenterte, wurde gestern gehoben. Die Bergung des Bootes vollzog sich ohne übermäßige Schwierigkeiten, doch war sie nur unter Einsatz eines Tauchers möglich.
Endlich, nach monatelangem Warten, führt der Rheinwieder "gutes" Wasser. Die Rheinschiffer sind Petrus von Herzen dankbar, denn die Schiffe brauchen nicht mehr nur halbe oder noch weniger Fracht zu laden. Da in den Bergen Schnee liegt und weitere Niederschläge gemeldet sind, ist nicht mit zu rechnen, das die "Trockenheit" so schnell wiederkommt.
Eine kleine Nebenwirkung des lang andauernden Niedrigwassers scheint es zu sein, daß selbst erfahrene Rheinschiffer und Bootsführer verlernen, welche Kraft bei anschwellendem Wasser eine starke Strömung haben kann. Jedenfalls konnte zu dieser Meinung kommen, als man dieser Tage las, daß bei Leopoldshafen das Motorboot eines Wasser- und Schiffahrtsamtes in der Strömung gekentert und gesunken sei.
Aber Hermann Weschler aus Leimersheim, der 54-jährige Bootsführer, den die Stömung anschließend 500 Meter flußabwärts trieb, ehe er von einem kleinen Arbeitsboot gerettet werden konnte, kennt sich aus auf dem Rhein und hat das kleine Unglück, das leicht ein schweres hätte werden können, nicht etwa leichtsinnig heraufbeschworen. "Als ich das Boot im Strom drehte, drückte das Wasser mit solcher Wucht, daß ich es nicht halten konnte und daß es umschlug". Nur mit äußerster Mühe, so berichtete er gestern, war es ihm noch möglich, die Tür zum Steuerraum zu öffnen, weil das in das sinkende Boot hereinströmende Wasser einen mächtigen Gegendruck ausübte. In letzter Sekunde gelang es dann Hermann Weschler doch noch, sich aus der tödlichen Gefahr zu befreien. Schwimmend wurde er stromabwärts getrieben, bis schließlich ein Arbeitsboot ihn auffischte und an land brachte.
Hermann Weschler war gestern natürlich mit dabei, als Männer des Wasser- und Schiffahrtsamtes Speyer mit Spezialgeräten daran machten, das gesunkene Boot zu heben. Nach langem Suchen hatte man die Lage des Bootes, das durch die Strömung abgetrieben worden war, ausfindig gemacht. In etwa sechs Meter Tiefe- so hoch ist dort der Wasserstand- hatte es sich in der Nähe der Fähre Leimersheim-Leopoldhafen auf der Flußsohle verfangen. Von einem großen sog. "Hebebock" aus, einer breiten schwimmenden Arbeitsbühne mit Hebevorrichtungen, stieg ein Taucher in die Fluten und erkundete die Möglichkeiten, das Boot zu heben. Dann, bei mehreren weiteren Abstiegen des Tauchers, legte er starke Stahltrossen um Heck und Bug. rund zwei Stunden währten die vorbereitenden Arbeiten, die von eienr fachkundigen Mannschaft von Schiffern und Arbeitern des Wasser- und Schiffahrtsamtes Speyer ständig unterstützt wurden. Ein breites sog. Taucherschild, ein Schneepflugartiges Gebilde, war während der Arbeiten des Tauchers vom Hebebock aus auf den Grund gelassen worden, um die Wasserströmung an dem gesunkenen Boot und somit an dem dort arbeitenden Taucher vorbeizuleiten.
Dann gegen 11 Uhr, war es soweit: Zum letzten mal stieg der Taucher hinab und hakte die Haltetaue des Krans ein, der das Boot dann langsam nach oben beförderte.. Die Steuermannskabine, das war sofort erkennbar, war durch das Entlangschlittern auf dem Grund fast völlig zertrümmert worden. Sonst aber schien das Boot noch intakt zu sein. Man ließ das Wasser, das sich in seinem Bauch angesammelt hatte nach dem Heck hin ablaufen, und siehe da: ein paar Minuten später schwamm das gekenterte Boot wieder. Es brauchte dann nur noch ausgepumpt zu werden. Eine umfangreiche Reparatur ist natürlich unerläßlich.
Wer war der erste Mann an Bord des gehobenen Bootes? Hermann Weschler natürlich, der sich umsichtig an den Arbeiten beteiligte und nun glücklich war, seinen Unglückskahn wiederzuhaben. "Ich bin zwar schon einige Male ins Wasser gefallen" gestand er gestern "aber so gefährlich wie diesmal war es noch nie". Glück ihm und auch seinen Kollegen auch für ihre künftige und oft harte und schwere Arbeit.

Text: Emil Weschler

 
 

Verwandtschaft

Ehemann von: Weschler Ermine

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