Verzeichnis Namen und Leben

 

Dannenmaier Lena

Mädchenname: Schwab
Beruf(e): Näherin
Spitzname: d´Strumpf Lena
Geburtsdatum: 09.04.1934
Geburtsort: Leimersheim
Sterbedatum (Todestag): 12.01.2000
Sterbeort: Kandel

Magdalena Schwab war das einzige Kind von Josef Schwab und Anna, geborene Leibel. Nachdem ihr Vater im Kriegsjahr 1945 in Belgien gefallen war, lebten Mutter und Tochter alleine im hinteren Hausteil der Heingasse 8.
 
Anfang der 1950er Jahre erwarb Lena Schwab bei der Firma Günther Wäsche- und Strickwarenfabrik GmbH in Karlsruhe-Knielingen umfangreiche und professionelle Kenntnisse im Kunststopfen und Reparieren von Pullovern sowie Wollsocken. Weil die tägliche Fahrt mit dem Fahrrad nach Karlsruhe zu mühselig war, mietete sich Lena ein Zimmer im Karlsruher Stadtteil Daxlanden. Dort begegnete Lena auch ihrem späteren Ehemann Hugo Dannenmaier. Nach kurzer Einarbeitungszeit erlernte sie die neuartige Technik des Repassierens. Dies ist der Fachausdruck für die Reparatur von Kunst- und Seidenstrümpfen. Dabei werden kleine elektrische Maschinen bzw. Kompressoren verwendet, die mithilfe eines Fußpedals einen Luftdruck erzeugen, der über einen Gummischlauch in eine spezielle Repassiernadel (ähnlich einer kleinen Häkelnadel) geleitet wird. Die Strümpfe werden per Hand über den Strumpfbecher gespannt. Zunächst wird der Riss im Strumpf mit einem Perlonfaden umnäht, sodass er nicht weiter reißen kann. Dann werden die einzelnen Laufmaschen aufgenommen und mit der Repassiernadel aufgemascht. Wenn alle Laufmaschen aufgenommen und geschlossen wurden, wird der Riss mit der Hand vernäht.
 
Im Juni 1955 heirateten Hugo Dannenmaier und Magdalena Schwab, gemeinsam wohnten sie im Haus gegenüber ihrer Mutter. Das junge Paar hatte von Nachbar Eduard Wingerter zwei Zimmer angemietet. Ein Zimmer diente als Wohnraum, im zweiten richtete sich Lena ihre erste Werkstatt ein. Sie war nun im Besitz eines Wandergewerbescheins, der Beginn ihrer beruflichen Selbstständigkeit. 1956 kaufte das Paar das Grundstück Schafgartendamm 6 und begann noch im selben Jahr mit dem Bau eines Einfamilienhauses samt Ladenlokal und Repassierwerkstatt. Es folgte eine Gewerbeanmeldung als „Strumpfgeschäft mit Laufmaschendienst“.
 
Der Nylonstrumpf eroberte die Damenwelt und die junge, engagierte Geschäftsfrau bot ihren Kundinnen eine große Vielfalt von Strümpfen sowie gleichzeitig ihren Laufmaschendienst an. Lena, eine quirlige Person von kleiner Statur, hatte wahrlich eine Marktlücke entdeckt. Es gab weit und breit keine Möglichkeit, die teuren Nylonstrümpfe repassieren zu lassen. Dies war aber immer wieder nötig, da aufgrund ihrer Beschaffenheit die Strümpfe vergleichsweise kurzlebig waren und zu Beschädigungen sowie Laufmaschen neigten. 1970 kostete beispielsweise ein Paar Feinstrümpfe 1,95 DM, die Reparatur einer Laufmasche dagegen betrug ca. 15 Pfennige. Im Strumpfladen hatten die Frauen unter anderem die Auswahl zwischen Nylonstrümpfen und Kräuselkrepp-Strümpfen.
 
Nicht nur in den Leimersheimer Nachbardörfern, sondern auch in Karlsruhe hatte Lena mehr als 70 Annahmestellen in Strumpfgeschäften und Reinigungen. Ihr Mann Hugo arbeitete als Lagerist, später als LKW-Fahrer beim „Badenia Verlag“ in Karlsruhe. Nach Feierabend fuhr er im wöchentlichen Rhythmus die Annahmestellen auf dem Heimweg an, um so Kartons voll schadhafter Strümpfe mit nach Hause zu bringen. Lenas Werkstatt wurde mit ihren vier Arbeitsplätzen bald zu klein, daher erweiterte das Ehepaar kurzerhand das Haus um einen Anbau über der Garage mit doppelt so vielen Arbeitsplätzen.
 
Als Geschäftsinhaberin war es selbstverständlich, dass Lena einen der ersten privaten Telefonanschlüsse im Dorf hatte. Bereits ab 1964 war ihr Anschluss mit der Nr. 504 nicht nur für ihren Geschäftsbetrieb wichtig, sondern auch für viele Nachbarn im ganzen Schafgartendamm sowie der Heingasse. Egal, ob für den Bauern ein Anruf des Tierarztes wegen des Besamens einer Kuh einging oder der Schiffer vom Ende der Straße seine überraschende Heimkehr ankündigte: Alle Nachrichten wurden immer zeitig, geduldig und zuverlässig weitergegeben.
 
Zu Beginn der 1970er Jahre war der Höhepunkt ihres Geschäftes. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte Lena 12 Leimersheimer Frauen, die alle die Kunst des Repassierens beherrschten. Ihre Mitarbeiterinnen waren überwiegend in Vollzeit beschäftigt, aber auch halbe Arbeitstage und Heimarbeit waren möglich. An jedem Arbeitsplatz türmten sich Papiertüten mit beschädigten Strümpfen, beschriftet mit dem Namen der Kunden sowie der entsprechenden Annahmestelle. Nachdem die Strümpfe repassiert waren, vermerkte die Repassiererin die Anzahl der geschlossenen Laufmaschen, ergänzt um ihr Namenskürzel. Der Jahresverdienst einer Arbeiterin betrug im Jahr 1963 zwischen 1.200 DM und 1.300 DM. Samstags war die ganze Familie Dannenmaier, einschließlich Tochter Edith und Adoptivtochter Birgit, in das Geschäft eingebunden. Die Tüten wurden nach Tour und Annahmestellen sortiert, in Plastiktüten verpackt und abgerechnet, sowie die Lohnabrechnungen der Mitarbeiterinnen erstellt. In der Folgewoche tauschte Hugo diese Plastiktüten in den entsprechenden Annahmestellen gegen neue Tüten, gefüllt mit schadhaften Strümpfen, ein. Im Laden wurde das Sortiment erweitert. Für Kinder gab es nun Strumpfhosen, Kniestrümpfe und Söckchen, sowie Socken und Krawatten für die Männer. Außerdem wurde die neueste Mode-Strumpfhose für Damen in das Sortiment aufgenommen.
 
Mitte der 1980er Jahre wurden die Arbeitsaufträge weniger, die Anzahl der Arbeiterinnen verringerte sich und die Werkstatt wurde wieder verkleinert. Grund hierfür war die Massenproduktion von billigen Nylonstrümpfen und Strumpfhosen. Es war für die Kundinnen günstiger, neue Strümpfe zu kaufen, statt getragene repassieren zu lassen. Ausgenommen waren hochwertige und teure Seidenstrümpfe sowie medizinische Stützstrümpfe.
 
Lenas Ehemann Hugo trat 1985 in seinen wohlverdienten Ruhestand. Damit dieser neue Lebensabschnitt nicht zu ruhig wurde, übernahm er aus dem Nachlass des Schuhmachers Simon Schardt aus der Hirtengasse Werkbank und Schusterwerkzeug. In der bisherigen Garage entstand nun Hugos Schuhmacherwerkstatt. Nach kurzer Einarbeitungszeit klebte er Schuhsohlen, ersetzte Absätze und vernähte das Leder, so wie es ihm Schuhmachermeister Christian Wanninger in Karlsruhe-Daxlanden während der Lehrzeit von August 1941 bis April 1944 beigebracht hatte. Im Alter von 17 Jahren wurde Hugo von der Deutschen Wehrmacht eingezogen. Während des Russlandfeldzuges geriet er in Kriegsgefangenschaft, aus der er erst 1948 in sein Elternhaus nach Daxlanden zurückkehrte. Danach arbeitete er noch einige Zeit als Schuhmachergeselle bevor er dann zum „Badenia Verlag“ wechselte und sein gemeinsames Leben mit Lena begann.
 
Die Geschäftszweige von Lena und Hugo ergänzten sich gut und bildeten die ideale Kombination. Ob Laufmaschen in Strümpfen beseitigt werden mussten, Stopfarbeiten bei Pullovern oder Wollstrümpfen nötig waren oder Schuhe neu besohlt werden sollten: Dies alles konnten die Kunden bei „d´Strumpf Lena“ im Laden in Auftrag geben – eine Reparatur war garantiert.
 
Lena Dannenmaier führte ihr Geschäft bis 1995. Die Werkstatt von Hugo war noch bis 2006 geöffnet. Tochter Edith übernahm 2001 das Strumpfgeschäft, Reparaturen wurden jedoch nur noch ganz selten ausgeführt, stattdessen wurde das Sortiment um Damenwäsche erweitert.
 
Seit April 2020 ist die Ladentür von „d´Strumpf Lena“ endgültig geschlossen.

Text und Recherche: Heidi Faßbender
Quelle: Edith Dörzapf
Fotografien: Fotoalbum Edith Dörzapf

hfb/gla

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