Weber

Dieser alte Beruf ist in der Literatur vielfach beschrieben worden, so auch 1892 von Gerhart Hauptmann in seinem Drama „Die Weber". Bereits die Menschen der Frühzeit, besonders die Frauen, haben sich gut auf das Weben und Flechten verstanden. Dabei benutzten sie einfache Vorrichtungen. An einem Gestell, das aus zwei in die Erde gerammten Pfählen bestand, in deren Gabelungen ein Querholz lag, haben sie einfache Gewebe gefertigt, um sich dadurch eine Bekleidung zu fertigen, die sie ein wenig wärmen und gegen die Unbilden des Wetters schützen konnte, oder aber um ihre Wohnhöhlen und Hütte etwas wohnlicher zu gestalten.
Das Weben und die Fertigung von Stoffen haben im Laufe der Jahrtausenden - wie auch ande­re Dinge des Lebens - eine Entwicklung genommen, an deren Ende die computergesteuerte Fabrik mit vollautomatischen Webstühlen steht.
Den Weber gibt es in unserem Dorf schon seit mehr als einhundert Jahren nicht mehr, wäh­rend 1877 noch acht Leimersheimer den Beruf des Webers als ihr Gewerbe angaben. Die Weberei war seit dem 12. Jahrhundert ein Handwerk, das ausschließlich von Männern betrie­ben wurde. Doch blieben viele mit dem Weben verbundene Arbeiten eine Sache der Frauen. Dazu gehörte das Wollkämmen, das Spinnen, das Garnziehen und das Spulen. Bis das Garn auf den Webstuhl kam, war viel Vorarbeit nötig. Zuerst mußte das Gespinst aus Hanf und Flachs zu Garn und Wolle gesponnen werden. Dann erst konnte der Weber das Leinen weben, das dann der Stolz jeder Hausfrau war und auch als Aussteuer der Töchter in den Truhen der Bauernfamilien bereitlag.

Tagein, tagaus saß der Weber, vom frühen Morgen bis spät in die Nacht, auf seinem Schemel vor dem Webstuhl und bewegte mit Händen und Füßen das Zugsystem. Immer wieder ließ er das Schiffchen mit dem Faden durch die Schäfte sausen, der dann von der freischwingenden Lade angeschlagen wurde.

Der Webstuhl war für den Laien ein kompliziertes Gerät. Das Holzgestell bestand aus dem Kettbaum und Warenbaum, den Schäften, der Lade und dem Kamm. Mit den Füßen wurden die Tritte bedient, die Gewicht und Gegengewicht bewegten. Das immer wiederkehrende Geschehen war: „Kette senkrecht - Schuß quer". Ungezählte, stets gleiche Handgriffe und Fußtritte. In einem alten Weberlied wird das Weben so besungen: „Tritt auf und tritt nieder, schieß durch und schlag nieder, tritt auf  ..."

Jeder Weber hatte seine Kundinnen. Sie übergaben ihm das gesponnene, gebauchte und mehr­mals gewaschene Garn, das auf die langen Weberspulen aufgeleiert war, und gaben ihm auch die Weisung, welches „Getüch" sie haben wollten. Die Frauen achteten sehr darauf, daß der Weber fehlerfreies Leinen lieferte. Wenn er das Tuch übergab, wurde es von der Hausfrau auf Güte geprüft und mit der Elle nachgemes­sen. Dann erst bekam er sei­nen Lohn und nach altem Brauch noch einen Laib Brot, Eier und Butter als Dreingabe, wobei die Güte seiner Arbeit die Menge bestimmte.

Am Webstuhl entstanden im Jahr viele Meter Grobleinen und feines Leinen für Hem­den, Unterwäsche, Bett­wäsche, Tücher, Kissenbezüge u. v. a. m. Aus dem Werg, einem Abfallprodukt, das beim Spinnen anfiel, wurden Kartoffel- und Getreidesäcke gewoben.

Die mühselige lange Arbeit des Webers wurde nicht angemessen vergütet. Deshalb konnte ein Weber, auch wenn er sich noch so sehr anstrengte, nicht reich werden. Sein Berufsstand zähl­te zu der ärmeren Klasse, obwohl seine Arbeit von der Bürgerschaft sehr geschätzt wurde. Als aber die Baumwolle den Weltmarkt eroberte und der mechanische Webstuhl erfunden war, begann in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts der unaufhaltsame Niedergang dieses Handwerks. Auch war die von Übersee kommende neue Baumwollfaser für die Leib- und Bettwäsche bes­ser geeignet, sie wärmte besser und war angenehmer zu tragen.

Die Weber hatten keine Zukunft mehr. Nicht allerorten ging dieser Wandel geräuschlos vor sich. Die Weber in anderen Gegenden, so in Schlesien, versuchten sich zu wehren. Erfolg hat­ten sie mit dem Aufstand aber nicht. Den technischen Fortschritt kann niemand aufhalten, das bewahrheitete sich auch in diesem Falle. Damals entstand die heute noch gebräuchliche Redensart: „Des einen Tod, des anderen Brot ". Im Jahre 1861 arbeiteten in unserem Dorf eben­falls 8 Leineweber mit 13 Webstühlen. Die Leimersheimer Weber waren im Jahr 1877: Geiger Adam, Geiger Clemens, Geiger Johann Jakob, Heintz Benedikt, Heintz Michael, Heintz Philipp Adam, Kreger Michael und Stisy Johann Adam.

Der letzte noch in Leimersheim vorhandene Webstuhl des Webers Philipp Jakob Geiger aus der Neuen Gasse wurde noch vor dem 2. Weltkrieg in ein Museum nach Mannheim gebracht. Dort ist er im Jahre 1944 bei einem Feuer, das bei einem Fliegerangriff entstanden war, verbrannt.

Quelle: Ernst Marthaler, Die Geschichte eines pfälzischen Dorfes am Rhein (2002), Seite 498/499
gla

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