Bauer

Ackerbau und Viehzucht
Unser Dorf, das inmitten ertragreicher Fluren liegt, die allerdings bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zum großen Teil dem Kloster Hördt gehörten, war früher vor allem ein Bauern­dorf. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts lebten die Einwohner überwiegend in Familien, die in der Landwirtschaft arbeiteten. Die Männer waren Landwirte, Tagner und Tagelöhner. Die Frauen und heranwachsenden Kinder waren Mithelfende oder arbeiteten im Tagelohn bei den Bauern. Daneben gab es die Handwerkerfamilien wie in allen Dörfern dieser Größe. Obwohl unser Dorf schon immer mit Wasserflächen allzu reich gesegnet ist, gab es nur wenige Fischer. Die meisten von ihnen übten den Fischfang im Nebenberuf aus. Erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts änderte sich die Berufsstruktur. Nach der Begradigung des Rheines und dem Ausbau des Stromes zu einer Schiffahrtsstraße gingen viele Männer „aufs Schiff" oder zu den Flußbaufirmen.

Nach dem Anschluß der Pfalz an Frankreich im Jahre 1798 wurden zuerst die Bauern von den Zehnten und dem Fron gegenüber den Geistlichen und den Grundherrn befreit. Die Bauern durften nun über ihren Besitz frei verfügen. Sie konnten Grundstücke verkaufen und vererben. Nach Aufhebung der Jagdprivilegien wurden die Felder besser gegen Wildschäden geschützt. Der Kirchenbesitz wurde durch ein französisches Gesetz zunächst Nationaleigentum und später größtenteils versteigert. So kamen viele Klein­bauern zu Landbesitz und bescheidenem Wohlstand. Zuvor hatten Spekulanten, die das nötige Geld hatten, zugegriffen. Trotzdem, die Befreiung der Bauern, die vorher unter dem Joch der Feudalherrschaft geschmach­tet hatten, schien sich jetzt zu verwirklichen. (4) Doch es kamen andere Belastungen auf die Landbevölkerung zu, die nicht weniger bedrückend empfunden wurden.

Dennoch konnte in der Folge ein Bauerntum entstehen, das selbst über das Wohl und Wehe der Familie ent­scheiden konnte. Nicht allen gelang es, diesem freien Leben gerecht zu werden. Mißernten und der Verlust der Ernte durch Überflutung erschwerten das Dasein. Die fortschreitende Realteilung verrin­gerte immer mehr die Basis für den Einzelnen. Viele sahen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Auswanderung die einzige Hoffnung auf ein besseres Leben. Andere gaben sich mit den Verhältnissen zufrieden und versuchten, den Lebensunterhalt der Familie aus der kleinen Landwirtschaft zu erwerben.

Wenige Wochen nach der Ernte 1948 und der Währungsreform wird am 26. August 1948 in der RHEINPFALZ geschrieben: „In Leimersheim ernähren sich 60 Prozent von der Landwirt­schaft. Es sind fast ausschließlich Kleinbetriebe, nur 5 Betriebe haben mehr als 10 Hektar" In jenen Jahren hatte in unserem Dorf kein Bauer einen Traktor. Nur wenige Landwirte hatten Zugpferde. Im April 1945 gab es in unserem Dorf 23 Pferdehalter mit insgesamt 32 Pferden oder Gäulen, wie man bei uns sagt. (GA) Bei den meisten Landwirten waren die Milchkühe gleichzeitig die Zugtiere.
 
Im übrigen war auf den Feldern Handarbeit ange­sagt. Dem Unkraut konnte damals nicht mit der „Chemiekeule" der Garaus gemacht, sondern es mußte durch „Fläätgrasschiddle" beseitigt werden, dies vor allem im Herbst und Winter, auch wenn es dabei klamme Finger gab. Die im Frühjahr zwi­schen dem Getreide üppig sprießenden Disteln wurden mit dem „Dischdelstecher" herausgestochen. Auch gegen die tierischen Schädlinge gab es keine oder nur unzureichende Mittel der Chemie. Den­noch wurden die Bauern zur Bekämpfung der Feld­mäuse, Maikäfer und sonstigen Schädlinge aufge­fordert, wenn diese in Massen auftraten.
 
Es ist bekannt, daß sich die Landwirte gerne an die Wetterregeln halten, die ihnen von den Vätern überliefert worden sind. Sie hatten es auch nicht so leicht wie heute, zuverlässige Wetterprognosen zu bekommen. Der Wetterbericht flimmerte nicht jeden Abend ins Wohn­zimmer. Doch sah schon 1882 der Gemeinderat ein Bedürfnis für diese Informationen und beschloß deshalb: „Nach Erkundigung haben sich die telegraphischen Witterungsberichte allseits aufs glänzendste bewährt. Deshalb sollen versuchsweise für das nächste Quartal diese Berichte auf Kosten der Gemeindekasse im Abonnement bezogen werden." (GR 25.6.1882)

Im 3. Reich (1933 - 45) wurde auch in Leimersheim ver­sucht, nach dem Erbhofgesetz von 1935 den Grundbesitz der größeren Betriebe vor der Aufsplitterung durch die Real­teilung zu bewahren. Nach dieser „Blut- und Boden"-­Theorie der Nazis „erbt sich der Erbhof in der Familie fort und ist unveräusserlich..."
In Leimersheim wurden 5 Be­triebe für die Erbhofrolle vor­geschlagen. Drei wurden ein­getragen. (GA)

In den sechziger Jahren des 20. Jhs. wurde erstmals in Leimersheim ein Flurbereinigungsverfahren durchgeführt. Dabei sind die verstreut liegenden Äcker der jeweiligen Besitzer zu grö­ßeren Flächen zusammengelegt worden. Dies ging nicht ohne Streit ab, da sich nicht wenige benachteiligt fühlten. Für einen Teilbereich der Gemarkung wird im Jahre 2001 erneut ein sol­ches Verfahren vorbereitet.
Die bäuerlichen Betriebe und Nebenerwerbsbetriebe
1947 existierten in Leimersheim 61 Betriebe, die von selbständigen Landwirten geführt wur­den, daneben gab es 200 Nebenerwerbslandwirte. Die Betriebsgrößen: 1 = 12 ha, 2 = 10 ha, 2 = 9 ha, 15 = 5 bis 7 ha, 25 = 3 bis 5 ha, 15 = 2 bis 3 ha. Ein hauptberuflicher Landwirt mußte seinerzeit als Existenzgrundlage mindestens 3 Hektar bewirtschaften. Ein Betrieb im Dorf besaß damals 3 Pferde, 7 Betriebe hatten 2 und 14 Betriebe hatten 1 Pferd. In 68 Ställen stand 1 Kuh, in 38 Betrieben standen 2 Kühe und in 3 Betrieben 3 und mehr Kühe oder Rinder.
 
Quelle: Ernst Marthaler, Leimersheim - Die Geschichte eines pfälzischen Dorfes am Rhein (2002), Seiten 525 - 528 (gekürzt)
(GA) Gemeindearchiv
(GR) Gemeinderatsprotokolle
(4) Krebs Friedrich, Beziehungen zwischen der Pfalz und Frankreich 1797-1825, in: Pfälzer Heimat, 15. Jhrg. 1964, Heft 3, LaBibl Speyer Palat 1229/15
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